Politik

Schwedischer Atomeinstieg SPD warnt, Union frohlockt

Die schwedische Abkehr vom Atomausstieg hat in Deutschland die Debatte um die Kernenergie neu entfacht. Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, warf der Regierung in Stockholm eine "völlig kurzsichtige Politik" vor. Es sei unbestritten, dass die Zukunft bei erneuerbaren Energien und Effizienztechnologien liege, sagte der SPD-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Vertreter von Union und FDP sprachen sich dagegen für die Atomkraft als Teil der Energieversorgung aus.

In Schweden wurden einen Tag nach der Entscheidung der Regierung, wieder neue und größere Atomanlagen zu bauen, Zweifel laut, ob das skandinavische Land in absehbarer Zeit überhaupt neue Reaktoren braucht. Der Chef der staatlichen Energiebehörde, Tomas Kberger, sagte der Zeitung "Dagens Nyheter", Schweden werde für "einige Jahrzehnte" über mehr als genug Elektrizität verfügen. Deshalb sehe er keinen Grund, jetzt eine Entscheidung über die Zukunft der Kernenergie zu treffen.

Gesellschaftliche Auseinandersetzungen befürchtet

Schwedens konservativer Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hatte die Aufhebung des nach einer Volksabstimmung 1980 geltenden Verbots von Reaktorneubauten verkündet. Zur Begründung führte er neben der angestrebten Verminderung von CO2-Emissionen auch den Energiebedarf der stark exportabhängigen schwedischen Industrie an. Deshalb sollen bei der Stilllegung von einem der zehn schwedischen Atomreaktoren nun neue Reaktoren mit größerer Leistung gebaut werden können.

Der deutsche Staatssekretär Müller warnte die Union davor, den Atomausstieg nun auch in Deutschland rückgängig machen zu wollen und auf eine Verlängerung der Laufzeiten zu setzen. "Wenn CDU/CSU das machen, wird es zu massiven Auseinandersetzungen in der Gesellschaft kommen, und alte Konflikte um Risiken und Alternativen werden neu aufbrechen." Der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, erklärte, die angebliche Renaissance der Atomenergie bestehe fast nur aus Ankündigungen. Weltweit sinke die Zahl der Atomkraftwerke.

Als "Quatsch" bezeichnete Müller das Argument des Deutschen Atomforums, Kernenergie sei die tragende Säule der deutschen Stromversorgung und koste den Steuerzahler nichts. "Die Entsorgungskosten sind noch überhaupt nicht abzusehen. Außerdem ist die Atomenergie in Ost- und Westdeutschland mit insgesamt 100 Milliarden Euro hochgradig subventioniert worden."

Forderung nach Energieministerium

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wertete die schwedische Abkehr vom Atomausstieg hingegen als "klares Signal" dafür, dass Kernenergie als Bestandteil eines breit gefächerten Energiemixes noch immer nötig sei. Dabei gehe es aber nicht um den Neubau von Kraftwerken wie in Schweden, erklärte Pofalla in der "Süddeutschen Zeitung". Vielmehr wird die Verlängerung der Laufzeiten von bestehenden Anlagen angestrebt. Die Union hatte 2008 beschlossen, mit der Forderung nach längeren Laufzeiten in den Wahlkampf zu gehen.

Für die energiepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gudrun Kopp, ist die Kehrtwende Schwedens dagegen Beweis für die energiepolitische Isolation Deutschlands. Der CSU-Energiepolitiker Georg Nüßlein forderte die Zuständigkeit für Energiefragen aus einer Hand in einem Energieministerium. Auch Hessens neue Umweltministerin Silke Lautenschläger sieht Atomkraft bis auf weiteres als wichtigen Teil der Energieversorgung für das Bundesland. "Für uns ist das Ziel der richtige Energiemix", sagte die CDU-Politikerin in Wiesbaden.

Die Opposition im Stockholmer Reichstag aus Sozialdemokraten, Grünen und der Linkspartei kündigte massiven Widerstand gegen die Erneuerungspläne für die Atomindustrie an. Die sozialdemokratische Parteichefin Mona Sahlin sagte: "Man kann die Atomkraft in dem Tempo abwickeln, in dem man erneuerbare Energien einführt. Arbeitnehmer müssen dabei nicht um ihre Jobs fürchten."

Quelle: ntv.de

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