Mehr netto für Arbeitnehmer SPD will Umverteilung
27.05.2008, 20:44 UhrDie SPD will zur Entlastung mittlerer Einkommen die Abgaben für Sozialversicherungen nach 2011 unter 36 Prozent senken und dafür große Einkommen stärker belasten. SPD-Chef Kurt Beck und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück betonten bei der Vorstellung ihrer finanzpolitischen Ziele zugleich, in dieser Wahlperiode gebe es keinen Spielraum für Steuersenkungen. Nach der 2011 erwarteten Haushaltskonsolidierung seien Mehreinnahmen von fünf bis sechs Milliarden Euro jährlich zur Senkung der Abgaben zu verwenden. Im Gegenzug soll die Reichensteuer früher greifen. Auch andere Vorschläge würden große Einkommen belasten. Die Union warf der SPD vor, "Steuererhöhungspartei" zu sein.
Beck und Steinbrück setzten ihr Konzept den Forderungen von Union und FDP nach baldigen Steuersenkungen entgegen. "Wir machen die Steuerhysterie nicht mit, die die Union auf den Weg gebracht hat", sagte Beck. "Wir bleiben ganz klar beim Kurs der Konsolidierung." Die Senkung der Nettokreditaufnahme auf Null sei 2011 erreichbar. Erst danach sei eine Entlastung der Bürger in größerem Maße möglich. Beck hatte überraschend ein eigenes SPD-Konzept angekündigt, nachdem die CSU, die in Bayern vor Wahlen steht, baldige Steuerentlastungen gefordert hatte.
Ab 2012 Senkung der Abgabenlast geplant
Die SPD-Führung stellt im Gegensatz zur Union die Entlastung bei den Abgaben zur Kranken-, Pflege und Arbeitslosen- und Rentenversicherung in den Mittelpunkt. Für viele Menschen vor allem mit mittleren oder geringen Einkommen seien diese ein viel größeres Problem als die Steuern, heißt es im SPD-Papier. "Unser Ziel ist es, im Laufe des nächsten Jahrzehnts wieder unter 36 Prozent zu kommen", ohne Leistungen zu kürzen. Die Mehreinnahmen von bis zu sechs Milliarden Euro nach 2011 sind laut Steinbrück durch steigende Einkommen und Mehreinnahmen der Reichensteuer zu erwarten. Dann könne man die Abgabenlast schrittweise senken, mit einem ersten Schritt um 0,4 Punkte im Jahr 2012.
Zuletzt lag die Abgabenlast 1989 unter 36 Prozent; heute beträgt sie 39 Prozent. Die SPD will die Gesamtquote aus Steuern und Abgaben konstant halten, aber zwischen beiden umschichten.
Zur Gegenfinanzierung soll der "Reichensteuer-Satz" von 45 Prozent künftig nicht erst bei 250.000 Euro (500.000 bei Verheirateten) greifen, sondern bereits bei 125.000 (250.000). Dies sei angesichts der sozialen Ungleichheiten eine politisch sinnvolle Umverteilung, sagten Beck und Steinbrück. Zudem werde die SPD die Wiederbelebung der Vermögensteuer prüfen. Im Gespräch seien auch eine Staffelung der Sozialabgaben nach Einkommen, eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und die Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Realsplitting.
Union: SPD ist "Steuererhöhungspartei"
Die Union warf dem Koalitionspartner umgehend vor, die Bürger durch höhere Steuern zu belasten. "Diejenigen, die für sich und ihre Familien durch ehrliche und fleißige Arbeit sorgen, sollen belastet werden", erklärte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. "Mit diesem Papier wird einmal mehr klar, dass die Führung der SPD um den Parteivorsitzenden Beck und Vizekanzler Steinmeier die Mitte aufgegeben hat." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer spottete, das SPD-Papier sei völlig unausgegoren und tauge allenfalls als Wochenendlektüre, "wenn Sie nichts Besseres zu tun haben".
Keine schnelle Entlastung
Indes haben sich in der Unionsfraktion Forderungen aus den eigenen Reihen nach schnellen Steuersenkungen im kommenden Jahr vorerst nicht durchsetzen können. Der Kurs der Union bleibe unverändert, dass dafür kein Spielraum gesehen werde, verlautete nach einer Fraktionssitzung. Vertreter der CSU sowie des Wirtschafts- und des Arbeitnehmerflügels der Fraktion hatten in den vergangenen Wochen gefordert, Normalverdiener müssten schon im kommenden Jahr und damit noch vor der Bundestagswahl durch höhere Grundfreibeträge bei der Einkommenssteuer spürbar entlastet werden.
In einer längeren Debatte seien die gegensätzlichen Positionen offen ausgetragen worden, berichteten Teilnehmer. Kanzlerin Angela Merkel und Fraktionschef Volker Kauder hätten aber klargestellt, dass die Union an ihrem Wahlversprechen festhalte, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und möglichst 2011 einen Etat ohne zusätzliche Schulden aufzustellen. Damit stärkte Merkel die Finanzpolitiker der Fraktion, die Steuersenkungen für nicht bezahlbar halten, ohne zusätzliche Schulden aufzunehmen. Sie sei gern bereit, insbesondere bei den Mittelstands- und den Arbeitnehmergruppen der Fraktion noch mal für ihre Position zu werben. Angesichts der Turbulenzen bei der SPD und ihres Linksrutsches sei es wichtig, dass die Union jetzt Kurs halte, sagte die Kanzlerin.
Allerdings geht die Union davon aus, dass es zumindest für Familien mit Kindern und bei der Arbeitslosenversicherung schon 2009 finanzielle Entlastungen geben werde. Als sicher gilt, dass der Bericht zum Existenzminimum im Herbst für das kommende Jahr mehr Kindergeld und höhere Kinderfreibeträge notwendig macht.
Auch eine weitere Senkung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3 Prozent auf 3,0 Prozent oder noch darunter gilt als sicher. "Das wird bereits Entlastung schaffen", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister.
Quelle: ntv.de