"Himmelschreiender Blödsinn" Sarrazin erntet Widerspruch
21.05.2012, 11:04 Uhr
Thilo Sarrazin verteidigte seine Thesen in der Talkrunde bei Günther Jauch.
(Foto: dpa)
In Kürze kommt Sarrazins neues Buch "Europa braucht den Euro nicht" auf den Markt. Noch vor Erscheinen ist die Empörung über die Thesen des Ex-Bundesbankers groß. Den Sozialdemokraten wird das wohl freuen: Denn die Kritik dürfte den Verkauf kräftig ankurbeln.
Der ehemalige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin ist kurz vor Erscheinen seines neuen Buchs "Europa braucht den Euro nicht" wieder in die Kritik geraten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble warf Sarrazin vor: "Seine Methode, so zu tun, als ob es Denk- oder Sprechverbote in Deutschland zu bestimmten Themen gibt, gegen die er dann verstößt, hat etwas sehr Kalkulierendes. Und ist dann auch noch unsinnig." Das habe schon für die Art und Weise gegolten, in der Sarrazin das Thema Integration behandelt habe. "Entweder redet und schreibt Sarrazin aus Überzeugung einen himmelschreienden Blödsinn, oder er macht es mit einem verachtenswerten Kalkül", sagte der CDU-Politiker.
In seinem neuen Buch fordert Sarrazin, dass Länder, die dauerhaft gegen den Stabilitätspakt verstoßen, den Euro-Raum verlassen. Griechenland hält er für einen hoffnungslosen Fall. Und er stellt einen Zusammenhang zur Nazi-Vergangenheit her: Die Befürworter gemeinsamer Euro-Staatsanleihen (Eurobonds) - also SPD, Grüne und Linke - seien "getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben", wird aus Sarrazins Buch zitiert.
Streit um Schmidt-Zitat
In der Talkshow "Günther Jauch" und einem Streitgespräch dem früheren Bundesfinanzminister und möglichen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück verteidigte Sarrazin seine Thesen. Er wehre sich gegen die Tendenz, dass Deutschland jenseits des Euro auch noch die Schulden anderer Länder übernehme wegen der Schulden der Vergangenheit. Dies müsse getrennt werden.
Sarrazin verwies in der Sendung darauf, dass es Altkanzler Helmut Schmidt Ende 2011 auf einem SPD-Parteitag gewesen sei, der den Bogen geschlagen habe von der deutschen Schuld am Holocaust bis hin zur gemeinsamen Währung. Steinbrück wies diese Darstellung zurück und warf Sarrazin vor, Schmidt falsch zitiert zu haben. Schmidt habe gesagt, wenn die Ur-Motive der europäischen Integration nicht gegenwärtig sowie die deutschen Verpflichtungen aus der Geschichte nicht präsent seien, dann fehlten die politischen Voraussetzungen zur Lösung der derzeitigen prekären Lage in Europa.
Dem stimme er voll zu, sagte Steinbrück: "Deutschland hat eine europapolitische Verantwortung." Daraus ergäben sich Solidaritätsverpflichtungen, um eine Erschütterungsdynamik in Europa zu verhindern. Steinbrück warf Sarrazin eine platte ökonomische Analyse vor und nannte einige Thesen "Bullshit". Der Euro bedeute nicht nur Binnenmarkt und Währung, sondern auch europäische Zivilisation.
Der SPD-Politiker und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, sagte: "Mit Sarrazin sollte sich niemand mehr in eine Talkshow setzen." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte: "Nationalistischer Unsinn von Sarrazin passt nicht zum Bildungsauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders." FDP-Generalsekretär Patrick Döring befand: "Das hat im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nichts zu suchen."
Sarrazins neues Buch erscheint am Dienstag. Das SPD-Mitglied hatte bereits mit umstrittenen Thesen zur Integration heftige Diskussionen ausgelöst. Sein im Herbst 2010 erschienenes Buch "Deutschland schafft sich ab" verkaufte sich millionenfach.
Quelle: ntv.de, jga/dpa