"Vorstoß für Luftsicherheit" Schäuble bleibt dabei
03.01.2007, 07:15 UhrBundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) pocht trotz des massiven SPD-Gegenwindes auf eine Verfassungsänderung zum möglichen Abschuss von Terror-Flugzeugen. "Wenn man es regeln will, kann man es so regeln", sagte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Sein Vorschlag sei fachlich abgestimmt. Ob man das regeln wolle, sei jetzt eine politische Frage. Die SPD blieb auf Distanz. Ein Sprecher von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach von Vorschlägen, "wie Verfassungsänderungen formuliert werden könnten, wenn sie denn politisch gewollt sind". Die Union verteidigte ihren Minister.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt nach Worten von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm den Innenminister "selbstverständlich dabei, hier gute, adäquate Lösungen zu finden". Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe der Staat in der Verantwortung, Rechtssicherheit zu schaffen. Karlruhe hatte am 15. Februar 2006 einen zentralen Paragrafen des rot-grünen Luftsicherheitsgesetzes kassiert, der den Abschuss eines entführten und als Waffe eingesetzten Flugzeuges zulassen wollte.
Schäuble berief sich auf die Koalitionsvereinbarung. Danach wollten Union und SPD nach der Karlsruher Entscheidung tätig werden. Die fachliche Lösung besteht nach Auffassung Schäubles in einer Ergänzung des Artikels 87a des Grundgesetzes. Dort heißt es in Absatz 2, dass Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürfen, soweit die Verfassung das zulasse. Nur über eine Ergänzung dieses Satzes kann nach Überzeugung Schäubles die verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz in einer Extremsituation geschaffen werden.
Verwischung von Kriegs- und Friedensrecht
Die Sozialdemokraten forderten Schäuble auf, seinen Vorschlag zurückziehen. Eine Verwischung von Kriegs- und Friedensrecht komme für seine Partei nicht in Frage, bekräftigte Fraktions-Vize Fritz Rudolf Körper. Nach seinen Angaben wurden bei der Abstimmung auf Fachebene zwischen Innen- und Justizministerium erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen Schäubles Linie geäußert.
Die Union forderte den Koalitionspartner zu einem Gegenvorschlag auf. "Die SPD hat bedauerlicherweise schon reflexartig Nein gesagt", kritisierte Bosbach. Die SPD solle die Frage beantworten, wie "die offenkundige Schutzlücke" geschlossen werden könne. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), nannte die von der SPD erwogene Änderung von Artikel 35 (Katastrophenhilfe) ungeeignet, da dort nur die unbewaffnete Amtshilfe der Bundeswehr geregelt sei.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, kritisierte die Haltung führender SPD-Politiker als unglaubwürdig. Faktisch sei die SPD auf den Kurs von Schäuble eingeschwenkt. Dies zeige die Äußerung ihres innenpolitischen Sprechers, Dieter Wiefelspütz, der die Anschläge des vom 11. September 2001 als "kriegerische Luftzwischenfälle" definiere.
Bundeswehreinsatz durch die Hintertür?
Die FDP warf Schäuble vor, den Bundeswehreinsatz im Innern einführen zu wollen. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft habe sich Schäuble massiv dafür eingesetzt, dass die Bundeswehr Aufgaben der Polizei übernehme, sagte die FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger der dpa. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwarf den Vorstoß als einen erneuten Versuch, den Einsatz der Bundeswehr für Polizeiaufgaben im Innern durch die Hintertür durchzusetzen. Der FDP-Rechtspolitiker Burkhard Hirsch, der gegen das Luftsicherheitsgesetz geklagt hatte, sagte, in Karlsruhe werde auch ein erneuter Versuch scheitern, elementare Grundrechte in das Ermessen der Regierung zu stellen.
Mehr als die Hälfte der Deutschen lehnt den Abschuss eines von Terroristen entführten Flugzeuges ab. Nach Meinung von 55 Prozent der Befragten soll die Bundeswehr entführte Passagierjets bei Terrorgefahr nicht abschießen dürfen, ergab eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid.
Quelle: ntv.de