Grünes Licht für Griechenland? Schäuble sieht "noch Chancen"
02.02.2012, 18:36 UhrIn der Debatte um die griechischen Schulden lehnt Finanzminister Schäuble einen Verzicht der staatlichen Gläubiger ab. "Ich kann nicht erkennen, dass unser Anteil ein zu geringer sei", sagt er in der n-tv Sendung "Bei Brender!" Dagegen sollen die Banken auf 50 Prozent ihrer Forderungen verzichten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnt eine Beteiligung Deutschlands und anderer öffentlicher Gläubiger an einem Forderungsverzicht für Griechenland ab. Die öffentlichen Gläubiger des Landes seien bereits hinreichend beteiligt: "Es braucht keine zusätzlichen Beiträge des öffentlichen Sektors", so der CDU-Politiker in der n-tv Sendung "Bei Brender!"
Die privaten Gläubiger hätten die Zinsen kassiert und damit an den Krediten verdient. "Ich kann nicht erkennen, dass unser Anteil ein zu geringer sei", sagte Schäuble mit Blick auf die Finanzhilfen für Griechenland.

Finanzminister Schäuble und die vier Fragesteller: Marc Beise von der "Süddeutschen Zeitung", Gastgeber Nikolaus Brender, Jan Hildebrand von der "Welt" und Ulrike Herrmann von der "taz" (v.l.).
(Foto: dapd)
"Griechenland kann seine Schulden nicht voll bedienen", deshalb sei ein Schuldenschnitt der privaten Schulden von 50 Prozent beschlossen worden. Zurzeit verhandelt die Regierung in Athen über einen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger, der Entlastungen von etwa 100 Milliarden Euro bringen soll.
"Die Zuversicht wächst"
Außerdem warten die europäischen Finanzminister auf einen Bericht der "Troika" von Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB), der spätestens am Sonntag vorliegen soll. Auf Basis dieses Berichts wollen die Finanzminister entscheiden, ob sie grünes Licht für das bereits im Oktober beschlossene zweite Paket von 130 Milliarden Euro geben.
Schäuble betonte, "Griechenland braucht ein neues Programm, aber es muss selber die Voraussetzungen dafür erfüllen". Er sehe noch Chancen, dass die griechische Regierung das schaffe.
Mit Blick auf andere Euro-Länder mit Etat-Problemen sagte Schäuble, die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen seien seit dem Regierungswechsel deutlich zurückgegangen. Auch Irland und Portugal machten große Fortschritte. "Noch haben wir es nicht geschafft, aber die Zuversicht wächst ... Ich gebe keine Entwarnung, aber ich sage, wir sind auf dem richtigen Weg." Auf die Frage, ob es Ende 2012 noch 17 Euro-Länder geben werde, antwortet Schäuble: "Ich hoffe ja."
Dollar statt Euro
Spekulationen über einen 1,5 Billionen Euro großen Rettungsschirm wurden von Schäuble relativiert. Die "Financial Times Deutschland" hatte berichtet, am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos sei über eine Kombination von Hilfen der Europäer und des IWF beraten worden, um auf diese Summe zu kommen.
Schäuble sagte dazu: "In Davos haben einige von 1,5 Billionen gerechnet, aber die meinen dann Dollar: Wenn Sie das umrechnen und wenn Sie die Hälfte auf den IWF nehmen, dann sind die Zahlen nicht so dramatisch weit auseinander." Der beim EU-Gipfel beschlossene dauerhafte Euro-Rettungsfonds ESM, der im Juli startet, soll 500 Milliarden Euro an Krediten umfassen. Deutschland wird international bedrängt, einer noch größeren Summe zuzustimmen.
"Wie einst in der DDR"
Schäuble bestritt, dass der von Deutschland durchgesetzte Fiskalpakt den Schuldenländern die Möglichkeit zu wirtschaftlichem Wachstum nehme. Bei Griechenland sei eher das Problem, dass die Verwaltung nicht in der Lage sei, die europäischen Investitionsmittel abzurufen. "Der Einfluss des Staates in Griechenland ist so hoch, wie der Einfluss des Staates einst in der DDR war." Strukturelle Reformen seien die Voraussetzung, dass es wieder Wachstum in Griechenland geben könne. ... Deswegen sind strukturelle Reformen die Voraussetzung dafür, dass Griechenland wieder wirtschaftlich wachsen kann."
Für das Frühjahr kündigte Schäuble entweder eine Finanztransaktionssteuer für den Euroraum oder eine Abgabe nach dem Modell von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle an, sollte es nicht gelingen, eine EU-weite Steuer durchzusetzen: "Wir haben unter den europäischen Finanzministern verabredet, dass wir bis Ende März eine Entscheidung darüber treffen, ob es eine Finanztransaktionssteuer gibt - Ja oder Nein. Wenn die Antwort Nein lauten sollte, werden wir über die beiden Alternativen entscheiden - schnell."
Brüderles Modell sieht eine europaweite Ausdehnung der in Deutschland 2011 eingeführten Bankenabgabe vor. Auch die britische Börsensteuer würde dabei auf andere EU-Länder übertragen
Anders als die Finanztransaktionsteuer berücksichtigt die britische Börsensteuer nicht alle, sondern nur bestimmte Börsengeschäfte. Die deutsche Bankenabgabe setzt dagegen am Gewinn der Banken an.
"Bei Brender!" läuft jeweils am ersten Donnerstag jedes Monats um 17.10 Uhr. Wiederholt wird die Sendung um 23.10 Uhr und am Sonntag um 11.10 Uhr.
Quelle: ntv.de, hvo/rts