EU-Müdigkeit Schäuble will Bürgernähe
15.06.2008, 11:34 UhrNach dem Nein der Iren zum EU-Vertrag von Lissabon hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mangelnde Bürgernähe seitens der Europäischen Union beklagt. In der Zeitung "Welt am Sonntag" rief der CDU-Politiker dazu auf, die Politik in Brüssel transparenter zu gestalten. In diesem Zusammenhang sprach er sich dafür aus, den künftigen EU-Ratspräsidenten eines Tages in direkter Wahl zu bestimmen.
Schäuble, der bereits 1994 in einem Papier ein Europa der zwei Geschwindigkeiten gefordert hatte, riet zugleich dazu, das irische Nein bei der Volksabstimmung nicht überzubewerten. Es sei jetzt an den EU-Staats- und Regierungschefs, bei ihrem Gipfel am kommenden Wochenende in Brüssel eine Lösung zur Vermeidung einer größeren Krise zu finden.
Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde hält indes trotz des Neins der Iren zum EU-Reformvertrag das Projekt nicht für grundsätzlich gescheitert. Sie sei "absolut sicher", dass es einen neuen Vertrag oder eine andere Verständigung auf Reformen geben werde, sagte Lagarde auf einer Konferenz in Südkorea am Sonntag. Zugleich betonte sie, dass die EU den Weg gemeinsam beschreiten werde. "Wir Europäer sind der Auffassung: Entweder alle oder keiner von uns." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte angeregt, zu erwägen, den Weg der europäischen Integration vorübergehend ohne Irland zu gehen.
Der Vertrag von Lissabon soll die 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte EU-Verfassung ersetzen. Damit der Vertrag in Kraft treten kann, ist die Zustimmung aller Mitgliedsländer nötig. Bisher haben 18 der 27 EU-Staaten den Vertrag parlamentarisch ratifiziert. Irland hatte als einziger Mitgliedstaat eine Volksabstimmung zum EU-Vertrag abgehalten, weil es dazu gemäß seiner Verfassung verpflichtet ist.
Quelle: ntv.de