"Schluss mit Korruption" Scharfe Kritik an Karsai
11.06.2007, 07:10 UhrUN-Sonderbeauftragter Tom Koenigs hat Afghanistan aufgefordert, die Demokratisierung und den Kampf gegen Korruption zu verstärken. Der frühere Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt bescheinigte der Regierung von Präsident Hamid Karsai Defizite: "Ich bin nicht zufrieden mit den Fortschritten, die in den vergangenen drei bis fünf Jahren gemacht wurden." Es müsse endlich Schluss sein mit Gesetzlosigkeit, Korruption, laienhafter Polizei und einem unzuverlässigen Justizsystem, mahnte Koenigs in Kabul. "Ohne Recht wird es keine Stabilität geben", fügte er hinzu.
Der Sonderbeauftragte kündigte an, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon werde auf der internationalen Afghanistan-Konferenz Anfang Juli das Thema Recht und Ordnung ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Karsai war nach dem Sturz der radikal-islamischen Taliban 2001 an die Macht gekommen und hatte sich den Kampf gegen Korruption, Drogenanbau und Rechtlosigkeit auf die Fahnen geschrieben. Doch fällt die Bilanz des Präsidenten angesichts einer fehlenden Hausmacht und geringem Einfluss in den Regionen nach Ansicht von Beobachtern durchwachsen aus.
Zudem gerät Karsai als Symbolfigur des vom Westen angestoßenen Demokratieprozesses immer wieder ins Visier der radikalen Islamisten: Am Sonntag entging der Präsident einem Raketenangriff - es war bereits der dritte Anschlag auf sein Leben binnen fünf Jahren. Karsai hatte in der südostafghanischen Provinz Ghasni eine Versammlung von rund 1000 Stammesältesten besucht, als mehrere Raketen auf einem offenen Feld in einiger Entfernung einschlugen. Trotz des Zwischenfalls setzte Karsai seine Rede fort. Kurz danach übernahmen die Taliban die Verantwortung für den Angriff.
Inzwischen hat die Polizei Verdächtige festgenommen. Die Männer sollen in den Anschlag verwickelt sein. "Bei der Durchsuchung umliegender Dörfer wurden sieben Männer festgenommen, die jetzt verhört werden", sagte am Montag ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
Mit Anschlägen wird gerechnet
Einem Zeitungsbericht zufolge rechnen Bundeswehr und Auswärtiges Amt in den kommenden Tagen mit weiteren Anschlägen in Nordafghanistan, das unter der Kontrolle deutscher NATO-Soldaten steht. Unter Berufung auf ein Schreiben des Vertreters des Außenministeriums in Kundus berichtete das "Handelsblatt", in der Provinz bereiteten mehrere Extremisten-Gruppen Attentate vor. "Selbstmordattentäter stehen augenscheinlich zur Verfügung", hieß es demnach in dem Bericht, den der Vertreter in Abstimmung mit militärischen Stellen in Afghanistan verfasst und vor wenigen Tagen nach Berlin geschickt habe. Das Papier liegt der Zeitung den Angaben zufolge vor.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wollte den Bericht nicht im Einzelnen kommentieren. "Wir diskutieren Sicherheitsfragen nicht in der Öffentlichkeit." Es seien bestmögliche Vorkehrungen getroffen worden, "um den Schutz unserer Soldaten, Entwicklungshelfer und Diplomaten zu gewährleisten".
Sicherheitsbehörden tun wenig
Das Handelsblatt berichtete, der Ministeriumsvertreter kritisierte in einem weiteren Schreiben von Anfang Juni auch die afghanischen Sicherheitsbehörden für ihre Untätigkeit. Obwohl es sehr konkrete Hinweise auf Extremisten-Gruppen in den Nord-Provinzen gebe, seien die Behörden "allenfalls halbherzig bei der Sache". Vier im Norden tätige Anführer der radikal-muslimischen Organisation Al-Kaida seien namentlich bekannt. "Wiederholte Hinweise auf Verstecke und Aufenthaltsorte werden aber nicht oder nur sehr zögerlich aufgegriffen."
Zuletzt waren im Mai bei einem Attentat in der Stadt Kundus drei Bundeswehrsoldaten getötet worden. Auch acht afghanische Zivilisten kamen ums Leben. Der Tod löste eine politische Debatte darüber aus, ob und wie der Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch fortgesetzt werden soll.
Quelle: ntv.de