Politik

Weißrussische Wahlen Scharfe Kritik der OSZE

Bei der weißrussischen Parlamentswahl hat nach vorläufigen Angaben der zentralen Wahlkommission in Minsk die Opposition kein einziges Mandat errungen. "Das Wort Opposition klingt für viele noch abschreckend", sagte Wahlleiterin Lidija Ermoschina nach Angaben der weißrussischen Staatsagentur Belapan.

Regierungskritiker warfen den Behörden erneut Wahlfälschung vor. In Minsk hatte die Opposition am Sonntag mit einigen hundert Anhängern gegen den Wahlverlauf protestiert. Der gesamte Verlauf der Wahl sei nicht fair gewesen, sagte der Oppositionspolitiker Anatoli Lebedko vom Bündnis Vereinigte demokratische Kräfte.

EU zurückhaltend

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner reagierte zurückhaltend auf den Verlauf der Parlamentswahl in Weißrussland. "Es ist wichtig, dass die EU jetzt darüber nachdenkt, wie sie mit Weißrussland, seiner Regierung und seiner Bevölkerung umgeht", heißt es in einer Erklärung Ferrero-Waldners. "Unser Engagement sollte Mittel zur Stärkung der Respektierung demokratischer Prinzipien, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte gemäß den internationalen Verpflichtungen Weißrussland beinhalten."

Die Kommissarin forderte die Regierung in Minsk auf, mit den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über deren Vorschläge zur Organisation demokratischer Wahlen zu sprechen. Die EU werde den Abschlussbericht der OSZE-Beobachter genau prüfen.

Scharfe Kritik der OSZE

Nach Einschätzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind die Wahlen nicht demokratisch abgelaufen. Die Versprechen einer transparenten Wahl durch die weißrussische Führung seien nicht erfüllt worden, kritisierte das OSZE-Büro für Demokratie und Menschenrechte (ODIHR) in Minsk. Trotz kleiner Fortschritte habe die Wahl die demokratischen Standards der OSZE verfehlt.

"Ich bin hoffnungsvoll und enttäuscht zugleich", sagte der Leiter der OSZE/ODIHR-Mission, der deutsche Diplomat Geert Ahrens. Die weißrussischen Behörden hätten auf der einen Seite mehr Kooperationsbereitschaft gezeigt, was Anlass zur Hoffnung für künftige Wahlen gebe. Auf der anderen Seite sei die wichtige Stimmenauszählung nicht transparent verlaufen.

"Absichtliche Fälschung"

In der Hälfte der besuchten Wahllokale sei die Stimmenauszählung schlecht oder sehr schlecht verlaufen. "Wo der Zugang möglich war, wurden zahlreiche Fälle von absichtlicher Fälschung der Ergebnisse festgestellt", teilten die Beobachter mit. Sie kritisierten die weißrussische Wahlgesetzgebung, die nicht im Einklang mit den OSZE- Richtlinien stehe. Zudem hätten die Behörden einen echten Wahlkampf mit politischem Wettbewerb verhindert und Medien die Wähler nicht ausreichend informiert.

Die OSZE hatte 450 Beobachter aus 43 Ländern bei der Wahl am Sonntag im Einsatz. Die Beobachter der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) hatten den Urnengang dagegen als "gerecht und demokratisch" gelobt.

Proteste der Opposition

Hunderte von Oppositionsanhängern zogen aus Protest gegen die Wahl durch die Hauptstadt Minsk und forderten den Westen auf, das Ergebnis nicht zu akzeptieren. Seit Mitte der 90er Jahre hat die OSZE keine Wahl in Weißrussland als frei und fair anerkannt. Die Opposition hatte etwa 70 Bewerber um die 110 Sitze im Parlament ins Rennen geschickt. Insgesamt waren 263 Kandidaten angetreten. Die Wahlbeteiligung wurde mit 75,3 Prozent angegeben.
Nach Angaben der Wahlkommission lagen die Kandidaten der Opposition mit großem Abstand hinter den direkt gewählten Parlamentsabgeordneten. Den Sprung ins Parlament schafften vor allem Vertreter von regionalen Verwaltungen und großen Unternehmen. "Die Furcht vor Massendemonstrationen und die Unlust auf radikale Veränderungen, die es durch die Wahl von Oppositionellen hätte geben können, haben zu diesem Ergebnis geführt", erklärte Ermoschina.

Westen stellt Bedingungen

In den vergangenen acht Jahren war kein Vertreter der Opposition im Parlament. Die EU hat eine Annäherung in Aussicht gestellt, wenn die Wahlen demokratisch verlaufen. Wegen zunehmender Konflikte mit seinem traditionellen Verbündeten Russland ist der Staatschef Alexander Lukaschenko, der als letzter Diktator Europas gilt, an besseren Beziehungen zum Westen interessiert.

Aus Protest gegen Menschenrechtsverletzungen und Wahlbetrug haben ihm neben der Europäischen Union auch die USA ein Einreiseverbot erteilt. In der vergangenen Woche nahmen EU-Chefdiplomat Javier Solana und Lukaschenko erstmals seit Jahren wieder Kontakt auf und telefonierten miteinander.

Regierungskritiker werfen dem Präsidenten vor, das Land wie eine "Diktatur" zu führen. Unter den rund zehn Millionen Weißrussen genießt er aber dank großzügiger Staatszuschüsse und Sozialausgaben breite Unterstützung.

Quelle: ntv.de

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