Politik

Karsai beugt sich Scharia für Afghanistan

Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat sich Forderungen von konservativen Kräften gebeugt, die islamische Rechtsprechung (Scharia) einzuführen. "Unsere Gesetze sollten auf der islamischen Rechtsprechung basieren", sagte Karsai vor den Delegierten der großen Ratsversammlung Loja Dschirga in Kabul.

Ein Berater Karsais bestritt leidenschaftlich, dass die Äußerung des Präsidenten bedeute, in Afghanistan werde Dieben künftig wieder die Hand amputiert oder Ehebrecher könnten so wie in einigen Golfstaaten und Pakistan gesteinigt werden. "Wir sind genauso wie Sie Erben der griechischen und römischen (Rechts-)Tradition", sagte Präsidentenberater Aschraf Ghani vor Journalisten. Es gebe ein Oberstes Gericht und Raum für Interpretation. Weder Zivil- noch Strafrecht Afghanistans sähen die Amputation als Strafe vor, betonte Ghani.

Karsai will Minister selbst auswählen

Das Land soll bis zu den Parlamentswahlen in anderthalb Jahren von einer "Islamischen Übergangsregierung" geführt werden. Karsai schlug vor, die Mitglieder des Kabinetts selbst zu bestimmen.

Zudem gab Karsai seinen Plan auf, von der Großen Ratsversammlung Loja Dschirga ein Übergangsparlament bestimmen zu lassen. Den Teilnehmern der Loja Dschirga war es nicht gelungen, sich auf ein Verfahren zur Bildung des Übergangsparlaments zu einigen. Nach Karsais Vorschlag sollen jeweils vier bis fünf Repräsentanten der acht Regionen des Landes gewählt werden, die darüber entscheiden sollen, wie sich das reguläre Parlament zusammensetzen wird. Ursprünglich sollte das Übergangsparlament dies klären.

Vor seiner Rede hatten fast alle Delegierte aus Protest gegen langwierige und ergebnislose Diskussionen zeitweilig das Zelt der Loja Dschirga verlassen.

Tumulte und Handgemenge

Nachdem sich die Loja Dschirga am Wochenende nicht auf ein Verfahren zur Auswahl der Abgeordneten des künftigen Parlaments oder der neuen Regierung einigen konnte, war die Versammlung um einen Tag verlängert worden. Bei den Debatten herrsche eine gespannte Atmosphäre, sagte ein Delegierter aus Kabul.

Einige Delegierte beklagten, von Milizführern unter Druck gesetzt worden zu sein. Ein Berater Karsais kündigte an, die Vorwürfe zu prüfen und gegen die Verantwortlichen mit aller Schärfe vorzugehen.

Die Mitglieder der Loja Dschirga stehen vor der Aufgabe, eine Übergangsregierung für die kommenden 18 Monate zu bilden, die die ethnische und politische Spaltung des Landes überwinden soll. Der Prozess der Demokratisierung soll bis Ende 2004 mit freien Wahlen und einer neuen Verfassung abgeschlossen sein.

Quelle: ntv.de

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