Politik

Neuer Mann für die Truppe Scharping geht, Struck kommt

Nur einen Tag nach dem spektakulären Rausschmiss von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) soll der bisherige SPD-Fraktionschef Peter Struck zum Nachfolger ernannt werden. Bundespräsident Johannes Rau will Struck am Mittag seine Ernennungs- und Scharping seine Entlassungsurkunde überreichen.

Am Vormittag kommt zudem die SPD-Fraktion zusammen. Der Vorstand will den Abgeordneten empfehlen, Strucks bisherigen Stellvertreter Ludwig Stiegler mit der Fraktionsführung zu beauftragen. Offiziell gewählt werden soll Stiegler voraussichtlich in der nächsten oder übernächsten Woche.

Achter Minister ausgeschieden

Mit Scharping verließ bereits der achte Minister seit Antritt der rot-grünen Bundesregierung im Herbst 1998 das Kabinett. Mit der Entlassung des einstigen SPD-Chefs zog Bundeskanzler Gerhard Schröder die Konsequenz aus den öffentlichen Spekulationen um angeblich zweifelhafte Geschäfte Scharpings mit dem PR-Unternehmer Moritz Hunzinger.

Seine Entscheidung verkündete Schröder nach einer Sondersitzung des SPD-Präsidiums in Berlin. Die notwendige Basis für eine gemeinsame Arbeit in der Bundesregierung sei nicht mehr gegeben, sagte der Kanzler.

Am Abend erklärte Schröder in der ARD, bei der Entlassung habe es sich um einen "demokratischen Vorgang, der schmerzt, aber sein musste", gehandelt. Die Entscheidung sei auf Grund der "gravierenden" Vorwürfe gegen Scharping nötig gewesen.

Scharping sieht sich als Opfer

Mehrere Wahlforscher werteten die Entlassung Scharpings als unausweichlich, um nur knapp neun Wochen vor der Bundestagswahl größeren Schaden von der SPD abzuwenden. Scharping hingegen, der einen freiwilligen Rücktritt bis zum Schluss abgelehnt hatte, sieht sich als Opfer einer "gezielten Kampagne". Den Bericht des Magazins "stern", der die neuerliche Affäre um seine Person ins Rollen gebracht hatte, bezeichnete Scharping als "falsch" und "ehrenrührig".

"Ich gehe mit erhobenem Haupt und aufrechtem Gang", erklärte Scharping nach seiner Entlassung. Er habe die 140.000 DM (etwa 71.600 Euro), die er von Hunzinger für Vorträge und als Vorschuss für eine spätere Abfassung seiner Memoiren erhalten habe, voll versteuert. Auch die Darstellung, Hunzinger habe ihn mit Vertretern der Rüstungsindustrie zusammengebracht, wies Scharping zurück. Für derartige Kontakte brauche er keine Vermittler.

"Alle Vorgänge sind absolut gesetzeskonform. Mehr kann ich nicht tun", sagte Scharping. "Ich sehe daher keine Rechtfertigung für einen so schwerwiegenden Schritt wie einen Rücktritt", fügte er hinzu. Aus dem Umfeld des geschassten Politikers wurden direkte Vorwürfe gegen den Kanzler laut. Die Entlassung sei Teil einer Strategie, Schröder wenige Wochen vor der Wahl als handlungsfähigen Macher darzustellen.

Struck: Handlungsfähig

Scharpings designierter Nachfolger Struck sagte, er bedauere die Entwicklung. Er werde mit Scharping freundschaftlich verbunden bleiben. Er werde sich umgehend in das Sachgebiet einarbeiten, erklärte Struck, der bislang nicht als Experte für Verteidigungspolitik galt. "Das Verteidigungsministerium ist sofort wieder handlungsfähig", bekräftigte er.

"stern" rechtfertigt sich

Der "stern" wies die Vorwürfe Scharpings gegen seine Berichterstattung scharf zurück. Von der Darstellung werde nichts zurückgenommen, erklärte die Chefredaktion des Magazins. Scharping sei vier Tage Zeit gegeben worden, um auf Fragen des Blattes zu den Vorwürfen zu reagieren. "Er hat diese Zeit nicht genutzt, sondern versucht, die 'stern'-Redaktion hinzuhalten", hieß es von Seiten des Magazins.

Hunzinger habe hingegen schon nach einem Tag Stellung bezogen und dem "stern" gegenüber alle geschilderten Vorgänge schriftlich bestätigt. Einer von Scharping erwogenen presserechtlichen Klärung sehe man daher "mit großer Gelassenheit" entgegen.

140.000 DM überwiesen

Der "stern" hatte von einem Konto Scharpings berichtet, für das der SPD-Politiker dem auch für Rüstungsunternehmen tätigen Hunzinger eine Vollmacht erteilt habe. Insgesamt habe der Unternehmer während Scharpings Tätigkeit als Minister mindestens 140.000 DM auf dieses Konto eingezahlt.

Hunzinger und Scharping bestätigten die Zahlungen, erklärten jedoch, es habe sich um Honorarzahlungen gehandelt, die bereits vor Scharpings Amtsantritt vereinbart wurden. Nach einem Gutachten des Düsseldorfer Staatsrechtlers Martin Morlok dürfen Bundesminister während ihrer Amtszeit keine Honorare für Vorträge annehmen.

Weiterhin berichtete der "stern", Hunzinger habe 1999 ein Treffen Scharpings mit der Essener Ferrostaal AG vermittelt, um den Export zweier U-Boote nach Ägypten zu befördern. Zur Lieferung sei es jedoch nicht gekommen.

Quelle: ntv.de

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