Urteil zu Kohls Stasi-Akten Schily will Verschluss aller Prominenten-Akten
05.07.2001, 06:49 UhrBundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist dafür, Stasi-Unterlagen von Prominenten unter Verschluss zu halten. Nach dem Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts gegen eine Veröffentlichung der Akten von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) forderte er die Gauck-Behörde auf, sich auch vergleichbaren Fällen an die Auflagen zu halten. Die Behörden-Chefin Marianne Birthler solle dies schriftlich bestätigen, so Schily. Sonst werde er zum Mittel der Rechtsaufsicht greifen.
Am Mittwoch hatte Kohl hat den Rechtsstreit um die Veröffentlichung seiner Stasi-Akten gewonnen. Das Berliner Verwaltungsgericht gab der Klage des früheren CDU-Bundesvorsitzenden statt, mit der dieser die Veröffentlichung der ihn betreffenden Akten im Umfang von mehreren Tausend Seiten verhindern will. Das Gericht gab mit dem Urteil dem Opferschutz Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung der Stasi-Arbeit. Die zehnjährige Praxis der Stasi-Unterlagenbehörde wird damit als unrechtmäßig eingestuft.
Dagegen hatte Bundesbeauftragte Birthler erklärt, die jahrelange Praxis der Aktenherausgabe sei bedeutsam für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das Amt hatte seit seiner Gründung 1991 Akten über Prominente herausgegeben, so weit sie nicht die Privatsphäre der Betroffenen verletzten. Kohl hatte als Chef des Bundeskabinetts jahrelang selbst die Rechtsaufsicht über die Behörde.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) kritisierte das Gerichtsurteil. Es bedeute den Anfang vom Ende der Gauck-Behörde, sagte er der "Berliner Zeitung". Diese werde damit zu einem besseren Archiv degradiert. "Das wünsche ich mit nicht", sagte Thierse.
Auch bei den Stasi-Forschern stieß das Urteil auf Ablehnung. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der DDR-Diktatur werde dadurch erheblich eingeschränkt. Bürgerrechtler hatten den Richterspruch teils begrüßt und teils kritisiert.
Quelle: ntv.de