"Kampf ist sinnlos" "Schlächter von Kabul" kritisiert Taliban
29.04.2017, 11:00 UhrErstmals seit knapp 20 Jahren äußert sich Gulbuddin Hekmatjar zu den Ereignissen in Afghanistan. Dabei ruft der Ex-Kriegsherr die Taliban zur Beendigung der Kämpfe auf. Hekmatjars Hisb-e Islami hat mit der Regierung ein Friedensabkommen unterzeichnet.
Der frühere afghanische Kriegsherr Gulbuddin Hekmatjar hat die radikalislamischen Taliban und andere Aufständische dazu aufgerufen, den Krieg zu beenden. In seinem ersten öffentlichen Auftritt seit knapp zwei Jahrzehnten versprach er vor Anhängern in der östlichen Provinz Laghman zugleich der afghanischen Regierung, beim Kampf gegen Aufständische zu helfen.
Präsident Aschraf Ghani begrüßte in einer Mitteilung des Präsidentenpalastes die erwartete Rückkehr Hekmatjars nach Kabul. Der Friedenspakt, den Hekmatjar und seine Gruppe Hisb-e Islami mit der Regierung im September geschlossen hatten, zeige, dass Afghanen "Konflikte mit Gesprächen" lösen könnten, sagte Ghani weiter. Hekmatjar selbst rief seine Anhänger in der Rede dazu auf, die Regierung zu unterstützen und appellierte an die Nachbarländer, sich in den Konflikt nicht einzumischen. Ausländische Truppen könnten diesen Krieg nicht gewinnen, sagte er.
Die Rede markierte eine größere Kehrtwende für den früheren Anführer einer der größten Widerstandsgruppen, zu der sich Hisb-e Islami nach der US-geführten Intervention 2001 entwickelt hatte. Hekmatjar ist auch als "Schlächter von Kabul" berüchtigt: Während des afghanischen Bürgerkriegs in den frühen 1990er Jahren ließ er die Hauptstadt beschießen. Dabei sollen Tausende Zivilisten ums Leben gekommen sein.
"Afghanen sind die einzigen Opfer"
Nun wird erwartet, dass der 1947 geborene frühere Kriegsherr in den kommenden Tagen in der Hauptstadt Kabul eintrifft, um sich dort in den politischen Prozess einzuklinken. Als Folge des Friedenspaktes vom September erhielten er und andere Mitglieder von Hisb-e Islami Immunität vor einer Strafverfolgung. Zudem hatten die Vereinten Nationen Hekmatjar im Februar von ihrer Sanktionsliste genommen - dies war ebenfalls eine der Vereinbarungen des Paktes gewesen. Den Kampf Aufständischer nannte Hekmatjar sinnlos und unrechtmäßig. "Die Afghanen sind die einzigen Opfer dieses Kriegs", sagte er weiter.
Hekmatjar war in den 1980er Jahren der von Saudi-Arabien und den USA bestfinanzierte Mudschaheddin-Anführer im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan. Im folgenden Bürgerkrieg zwischen seiner Fraktion und anderen Mudschaheddin um die Herrschaft in Kabul kam es dann in den frühen 1990er Jahren zum Beschuss der Hauptstadt.
Ein Friedenspakt zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban, der größten Gruppe Aufständischer, kam bisher nicht zustande. Sie hatten von 1996 bis zu ihrem Sturz 2001 große Teile von Afghanistan kontrolliert. Seit der Umwandlung des US-geführten Kampfeinsatzes in einen Ausbildungseinsatz und der damit verbundenen Reduzierung der Stärke der ausländischen Truppen Ende 2014 greifen sie wieder verstärkt an und haben Gebiete erobert. Am Freitag, dem ersten Tag ihrer sogenannten Frühjahrsoffensive, nahmen sie in der nordöstlichen Provinz Badachschan den Bezirk Sebak ein.
Quelle: ntv.de, wne/dpa