Politik

Schröder gegen Stoiber Schlagabtausch im TV

Gerhard Schröder hat sich eines der ältesten Mittel bedient, um den Gegner in den Ring und aus der Reserve zu locken: Er provozierte Edmund Stoiber. "Ein Kandidat wie Stoiber wird die Gesellschaft polarisieren". Mit diesen Worten begrüßte der Kanzler seinen Rivalen nach seiner Nominierung. Der Plan ging auf; seine ersten Stunden als Kanzlerkandidat verbrachte der Bayer rechtfertigend, er sei überhaupt kein Polarisierer. Krönung dieser ersten Runde zwischen Stoiber und Schröder war die Herausforderung zum Fernsehduell.

Ein schlauer Zug des medienerprobten Kanzlers. Wieder einmal war er taktisch schneller als sein Kontrahent und schreibt damit vielleicht sogar Geschichte: Zunächst einmal gab es bisher noch kein öffentliches Duell dieser Art zwischen zwei Politikern in Deutschland. Darüber hinaus ist es eigentlich Sache des Herausforderers ein solches anzubieten. Der Amtsinhaber muss so sein Privileg, alleine zu sprechen, teilen.

Jetzt hat aber forderte der Amtsinhaber selber das Duell und drängte Stoiber damit schon wieder in der Hintergrund. So geht Schröder quasi als "Hausherr" in die mühsam ausgehandelten Duell-Termine, schließlich hat er eingeladen.

Medienkanzler gegen kantigen Bayern

Dabei hat Stoiber es sowieso schon nicht so leicht. Denn bisher hatte er nicht gerade den Ruf des "Fernsehpolitikers". Darüber hinaus zerstört Schröder ganz nebenbei Stoibers zentrales Argument, der Kanzler wirke nur durch die Medien. Schließlich gibt Stoiber sich diesen nun selber hin.

Kritiker sehen in dem Duellen eine Verflachung des Wahlkampfes. Begründet wird diese Haltung durch das amerikanische Vorbild. Bei den jüngsten Fernsehduellen zwischen George W. Bush und Al Gore wusste der Wähler nachher weniger als vorher über die Kandidaten. Zu gut hatten die Berater ihre Schützlinge auf die Gespräche vorbereitet, so dass diese dann genau die charakterlichen und politischen Lücken begleichen konnten, die der Kontrahent ihnen vorher vorgeworfen hatte.

Natürlich besteht diese Gefahr auch im jetzigen Wahlkampf. Doch jeder politikinteressierte Wähler muss zugeben, dass in den letzten 20 Jahren der Wahlkampf immer stärker durch die Medien ausgetragen wurde als früher. Selten zeigt ein Wahlplakat noch eine Auflistung der tatsächlichen Wahlziele. Viel eher wird mit sozialer Kompetenz, der Familie oder einem bezaubernden Lächeln geworben. Der Politiker von heute muss nicht nur Politik machen können, sondern auch mediengewandt sein.

Einerseits und andererseits

So negativ, wie teilweise befürchtet, muss das Ergebnis auch gar nicht ausfallen: Zum einen wird die öffentliche Debatte sicherlich viele Zuschauer anziehen. Verglichen mit der auch bei Bundestagswahlen eher geringen Wahlbeteiligung der letzten Jahre wäre dieses Mittel einen Versuch wert, den Wähler zu mobilisieren.

Zum anderen sind die Kandidaten schon allein wegen der Sendelänge gezwungen, inhaltlich aufeinander einzugehen. Schließlich können auch die diplomatischsten Politiker nicht eine Stunde lang nur Floskeln austauschen, ohne dass es jemandem auffiele. Und dann gibt es da auch noch das Sendeformat, dass durch Regie und Redaktion vorgegeben wird. Die Kontrahenten werden gezwungen sein, auf eine bestimmte Thematik, beispielsweise Arbeitsmarktpolitik, einzugehen. Anders als in Interviews müssen sie hier Rede und Antwort stehen und können nicht plötzlich zur Zuwanderung ausweichen.

Medienwirkung zum Stimmenfang

Fakt ist, dass Schröder eine längere Vorbereitungszeit als Stoiber hatte, um sich im Fernsehen redegewandt zu präsentieren. In den vergangenen Jahren konnte der Kanzler lernen, zu lächeln und freundlich zu sein. Stoiber wirkt in der Mimik meist wesentlich härter. Aber auch der bayrische Ministerpräsident wird sicherlich nicht unbedarft vor die Kamera treten. Rhetorik-Experten sind davon überzeugt, dass ein Rededuell am Bildschirm die Entscheidung der Wähler unterbewusst beeinflussen wird.

Hierbei hat Schröder ihrer Meinung nach einen Vorteil: seine recht warme weiche Stimme suggeriert einen einfühlsamen, verständnisvollen Kanzler. Stoiber redet wesentlich schneller und mit höherer Stimme, was allerdings Dynamik und Härte ausstrahlt, ebenfalls wichtige Kriterien eines zukünftigen Bundeskanzlers. Die Experten sehen bei Gerhard Schröder aufgrund seiner Statur mehr Macht und Durchsetzungskraft als bei Stoiber, der durch das weiße Haar und die feinere Kopfform mehr Eleganz und Präzision ausstrahlt.

Von einer Verflachung des Wahlkampfes kann unter diesen Umständen zunächst einmal keine Rede sein. Besser ist wohl der Ausdruck Neuerung. Vielleicht schafft eine Debatte dieser Art nicht nur viele Zuschauer, sondern auch viele Wähler. Ob es bei einem zweimaligen Schlagabtausch vor laufender Kamera bleiben wird oder ob das Fernsehduell demnächst einen festen Platz in jeder Wahlkampagne findet, liegt zum größten Teil an den beiden Protagonisten selbst: Edmund Stoiber und Gerhard Schröder.

Quelle: ntv.de

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