Politik

"200 Jahre alter Traum" Jüdische Theologie erstmals Uni-Studiengang

Vor Beginn des Festaktes: Wissenschaftsministerin Kunst, Rabbi Artson, STaatssekretär Rachel, Ministerpräsident Woidke, Botschafter Hadas-Handelsmann, Uni-Präsident Günther, Theologin Käßmann, und Rabbiner Gomolka.

Vor Beginn des Festaktes: Wissenschaftsministerin Kunst, Rabbi Artson, STaatssekretär Rachel, Ministerpräsident Woidke, Botschafter Hadas-Handelsmann, Uni-Präsident Günther, Theologin Käßmann, und Rabbiner Gomolka.

(Foto: dpa)

Novum in Deutschland: In Potsdam wird das bundesweit erste Universitäts-Institut für Jüdische Theologie feierlich eröffnet. Am Start sind knapp 50 Studenten.

Mit einem Festakt ist in Potsdam das bundesweit erste Institut für Jüdische Theologie eröffnet worden. "Ich bin sicher, das wird ausstrahlen weit über Deutschland hinaus", sagte die evangelische Theologin Margot Käßmann in ihrer Festrede. "Das wird der Ausgangspunkt sein für einen Dialog auf Augenhöhe." Denn nun sei die Jüdische Theologie ebenso wie die Katholische und Evangelische Theologie und der Islam als eigenständiges Fach an einer deutschen Universität vertreten.

Im ersten Semester studieren 47 Studenten aus elf Nationen an der international ausgerichteten "School of Jewish Theology", davon etwa die Hälfte Frauen. Rund 50 Prozent der Studierenden streben eine Ausbildung zum Rabbiner oder Kantor in einer jüdischen Gemeinde an. "Für die Universität Potsdam und unser Land beginnt etwas vollkommen Neues", sagte der Präsident der Hochschule, Oliver Günther. Er wünsche sich ein "weiteres Aufblühen jüdischen Lebens in Deutschland".

Der Studiengang Jüdische Theologie ist deutschlandweit einzigartig. Der des Kantors sogar europaweit.

Der Studiengang Jüdische Theologie ist deutschlandweit einzigartig. Der des Kantors sogar europaweit.

(Foto: dpa)

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einem historischen Moment. "Was es weltweit nur in Brandenburg gibt, ist die gemeinsame Ausbildung liberaler und konservativer Rabbinnerinnen und Rabbinner", sagte der Regierungschef.

Religion von "innen heraus" gelehrt

Der englischsprachige Bachelorstudiengang an der "School of Jewish Theology" ist auch europaweit einzigartig. Etwa die Hälfte der Studenten sind Frauen. Unter anderem kommen die Studierenden aus Polen, Russland, Argentinien und Norwegen. Allein in Deutschland ist die Zahl der Mitglieder in den Jüdischen Gemeinden von 20.000 vor der Wende 1989 inzwischen auf das Zehnfache gewachsen.

Nach den Worten von Grzegorz Kujawa, Sekretär des Studiengangs, geht mit der Eröffnung ein "200 Jahre alter Traum" von Menschen jüdischen Glaubens in Erfüllung, die jüdische Theologie gleichberechtigt mit anderen Theologien zu unterrichten. 1836 hatte Rabbiner Abraham Geiger die Gleichberechtigung bei der Ausbildung für das geistliche Amt durch eine jüdische Fakultät an einer staatlichen Universität gefordert. Das Institut wird Teil der Philosophischen Fakultät.

Der Studiengang steht auch Studenten anderer Religionen offen.

Der Studiengang steht auch Studenten anderer Religionen offen.

(Foto: dpa)

Der Studiengang schließt zurzeit nach drei Jahren mit dem Bachelor ab. Kurse für einen Master-Abschluss sollen ebenfalls in Kürze angeboten werden. Kujawa betonte den Unterschied zu den "Jüdische Studien", die unter anderem in Potsdam, an der Berliner Humboldt-Universität und an einer Hochschule in Heidelberg gelehrt werden: Im neuen Studiengang werde die jüdische Religion von "innen heraus" gelehrt, wohingegen "Jüdische Studien" die Religion eher "von außen" betrachteten. Dafür musste eigens der brandenburgische Landtag das Hochschulgesetz ändern, damit bekenntnisgebundene Berufungen der Professoren möglich wurden.

Zusätzliche Prüfung am Abraham Geiger-Kolleg

Der Studiengang richtet sich an Menschen jeden Glaubens, wie Kujawa sagte. Die Studenten können zwischen den Glaubensrichtungen des liberalen und des konservativen Judentums wählen.

Für die spätere Arbeit als Rabbiner oder Kantor müssen die Studenten eine zusätzliche Prüfung am Potsdamer Abraham Geiger-Kolleg ablegen, mit dem die "School of Jewish Theology" eine Kooperation unterhält. Das Abrahm-Geiger-Kolleg wurde 1999 eröffnet und war das erste Rabbinerseminar für liberale und orthodoxe Juden in Kontinentaleuropa nach dem Holocaust. Es wird unter anderem vom Bund, dem Land Brandenburg und den Zentralrat der Juden in Deutschland getragen.

Erfurt galt lange als heißer Kandidat

Der Errichtung des Instituts waren jahrelange Verhandlungen mit der Universität und dem Land vorausgegangen. Zwischenzeitlich waren als Standort auch das Bayerische Erlangen sowie die thüringische Landeshauptstadt Erfurt im Gespräch. Ziel war ursprünglich die Gründung einer eigenen Fakultät. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hatte die Pläne während einer Israel-Reise Ende 2011 verkündet und zur Chefsache erklärt.

Erfurt verfügt über ein reiches jüdisches Erbe aus dem Mittelalter. Dazu zählen unter anderem die Mikwe als Ritualbad, die Synagoge, deren älteste Bauteile aus dem 11. Jahrhundert stammen, sowie der Erfurter Schatz, der höchstwahrscheinlich während des Pogroms von 1349 vergraben worden war und erst 1998 nach archäologischen Untersuchungen wieder entdeckt wurde. Damit strebt Erfurt den Titel Weltkulturerbe an.

Quelle: ntv.de, jwu/ppo/dpa/AFP

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