Politik

Demoskopie und ihre Tücken Schwankungen stärker

Den ersten Hochrechnungen der Landtagswahl in Hessen am Sonntag fiebern nicht nur die Spitzenkandidaten Andrea Ypsilanti (SPD) und Roland Koch (CDU) entgegen. Auch der Vorstand der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, erwartet sie mit Spannung. Sein Institut ermittelte in der Woche vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Volksparteien - 38 Prozent für die CDU, 37 für die SPD. Auch das Forsa-Institut prognostizierte eine knappe Wahl mit jeweils 38 Prozent für CDU wie SPD. Ob die Wahlforscher damit richtig liegen? In jüngerer Vergangenheit klafften Wahlumfragen von Meinungsforschungsinstituten und tatsächliche Ergebnisse zum Teil weit auseinander.

Die spektakulärste Fehlprognose der letzten Jahre leisteten sich Wahlforscher vor der Bundestagswahl 2005. Statt des lange erwarteten klaren Siegs von Union und FDP stand am Ende eine große Koalition. "Eine Umfrage ist keine Prognose", sagt Jung. Vielmehr könne nur die Stimmung zum Zeitpunkt der Erhebung wiedergegeben werden.

Große Abweichungen

In Hessen lagen die Umfragen bereits 1999 daneben. Vor der Wahl hatten viele Demoskopen eine klare Bestätigung der rot-grünen Koalition vorhergesagt. Statt der erwarteten Verluste machte die CDU große Stimmengewinne und schaffte so mit der FDP den Regierungswechsel. Umfragen bieten nach Ansicht des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter zunehmend große Schwankungsbreiten. "Zu wissen, dass die Union zwischen 36 und 40 Prozent in Hessen liegen soll, ist kein besonders erhellendes Ergebnis", sagt er.

Ein Jahr der Fehlprognosen war auch das Superwahljahr 2004. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen gab es beträchtliche Abweichungen. In Brandenburg etwa schienen SPD und CDU lange gleichauf zu sein - am Ende lagen die Sozialdemokraten zweistellig vor der Union.

Wechselwähler und Stimmungsschwankungen

Die Gründe für die Fehleinschätzungen sieht Jung in der zunehmenden Bewegung im Stimmungsbild der Wähler. "Oft entscheidet der Wähler auf den letzten Drücker." Bis zu 40 Prozent wissen laut Falter rund eine Woche vor der Wahl nicht, wem sie ihre Stimme geben sollen. Die Parteibindung sei nicht mehr stabil, auch weil die Parteien programmatisch immer näher aneinandergerückt seien. Hinzu komme, dass selbst in den Tagen unmittelbar vor der Wahl noch aktiv Wahlkampf betrieben werde. "Schwankungen um bis zu zehn Prozentpunkte - so etwas gab es vor 20, 30 Jahren noch nicht", sagt Jung.

Jung schließt sich nicht der Einschätzung an, ein hoch emotionalisierter Wahlkampf wie zum Beispiel die Debatte um Jugendkriminalität führe zu verfälschten Umfrage-Ergebnissen, weil Befragte sich nicht trauten, ehrlich zu antworten. "Aber die Emotionalisierung und Polarisierung trifft auf ein wechselbereites Publikum", sagt der Wahlforscher. Und das könne innerhalb einer Woche große Stimmungsveränderungen hervorrufen.

Das Wahlergebnis in Hessen scheint angesichts zahlreicher Einflüsse auf die Wahlentscheidung offen. Sollte Roland Koch aber entgegen allen Umfragen die Wahl doch noch haushoch gewinnen, ist auch für Matthias Jung das Ergebnis eindeutig: "Dann haben wir in der Tat etwas falsch gemacht", sagt er. Und fügt hinzu: "Aber das wird nicht passieren."

Von Patricia Driese, dpa

Quelle: ntv.de

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