Politik

Sicherheitsnetz "Überhangmandate" Schwarz-Gelb kann hoffen

Mit den Umfragen für die Bundestagswahl ist es fast wie mit dem Wetter in diesem Sommer: Hochs und Tiefs liegen dicht beieinander.

Parteien und Profile der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 sind bei vielen sozialen Online-Netzwerken zu finden.

Parteien und Profile der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 sind bei vielen sozialen Online-Netzwerken zu finden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Während das ZDF-Politbarometer die Union im Vergleich zum Monatsbeginn bei einem Plus von einem Prozentpunkt auf einem Zustimmungswert von 37 Prozent sah, fielen im ARD-Deutschlandtrend CDU und CSU hingegen um einen Prozentpunkt auf 36 Prozent. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sich angesichts der Werte weniger Sorgen um eine Regierungsmehrheit mit ihrem Wunschpartner FDP machen als die Konkurrenz.

Zwei Kreuzchen

Grund ist eine Besonderheit des deutschen Wahlrechts: Die Überhangmandate kommen bei dieser Bundestagswahl wohl ganz besonders der CDU zugute. Sie könnten Union und FDP auch dann eine Mehrheit im Parlament verschaffen, wenn sie am 27. September weniger als die Hälfte der Stimmen erringen. Die Überhangmandate ergeben sich aus der Abgabe einer Erst- und einer Zweitstimme. Mit der Erststimme wird in jedem Wahlkreis ein Direktkandidat gewählt und mit der Zweitstimme die Landesliste einer Partei.

Erringt eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen, verfallen diese nicht, sondern werden zusätzlich der siegreichen Partei zugesprochen. Die Anzahl der Sitze im Bundestag vergrößert sich entsprechend um diese Überhangmandate. Von der Regelung profitieren die großen Parteien: Nach der vergangenen Wahl konnte sich die SPD über neun und die CDU über sieben Überhangmandate freuen.

In diesem Jahr kann die CDU nach Berechnungen des Politologen Joachim Behnke mit großer Wahrscheinlichkeit mit etwa 20 Überhangmandaten und womöglich noch mehr rechnen - die SPD nur mit zwei bis vier, wenn die Sozialdemokraten am Wahlabend tatsächlich so schlecht abschneiden sollten, wie derzeit in den Umfragen vorausgesagt. Die vielen Überhangmandate der CDU sind zu erwarten, weil sie in vielen Bundesländern laut Umfragen zahlreiche Direktmandate erobern kann, zugleich aber der Zweitstimmenanteil mit deutlich unter 50 Prozent vergleichsweise gering bleibt, wie Behnke erklärt. "Daher können Union und FDP auch auf eine Mehrheit im nächsten Bundestag kommen, wenn sie nur etwa 48 Prozent der Stimmen erhalten."

Negatives Stimmgewicht

Das Verfassungsgericht fordert eine Reform des deutschen Wahlrechts.

Das Verfassungsgericht fordert eine Reform des deutschen Wahlrechts.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Chef des Meinungsinstituts infratest-dimap, Richard Hilmer, äußerte kürzlich im "Kölner Stadt-Anzeiger" sogar die Vermutung, dass die Reihen des Parlaments ab Herbst auch dann mehrheitlich schwarz-gelb gefüllt sind, wenn die möglichen Koalitionspartner zusammen nur 46 Prozent der Stimmen erkämpfen. Für Union und FDP wirken die Überhangmandate also möglicherweise wie das Sicherheitsnetz für einen Zirkusartisten auf dem Hochseil: Rutschen die Parteien knapp unter die fürs Regieren wichtige 50-Prozent-Marke ab, ist die Kür zwar vermasselt - aber sie werden von den Überhangmandaten aufgefangen.

Es ist jedoch vielleicht das letzte Mal, dass eine Partei sich auf die Regelung verlassen kann. Denn aufgrund eines Gerichtsurteils droht den Überhangmandaten die Abschaffung. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 eine Änderung des Wahlrechts gefordert, um einen paradoxen Effekt bei der Mandatsverteilung künftig zu verhindern: das sogenannte negative Stimmgewicht. In Zusammenhang mit den Überhangmandaten führt dieser Effekt dazu, dass eine Partei wegen zusätzlicher Zweitstimmen in einem Bundesland einen Sitz im Bundestag verlieren oder wegen weniger Stimmen Sitze dazugewinnen kann.

Das Gericht forderte daher, das Wahlrecht müsse bis zum Jahr 2011 geändert werden. Dieser "absurde Effekt" des negativen Stimmgewichts sei am einfachsten durch eine komplette Abschaffung der Überhangmandate zu erreichen, meint Behnke. SPD, Grüne und Linke drängten darauf, noch vor der Wahl eine Lösung zu finden. Die Union war aufgrund der zu erwartenden Überhangmandate jedoch dagegen - und die SPD als Koalitionspartner beugte sich. Wenn die künftige Regierung ihre Mehrheit im Parlament aber allein den Überhangmandaten verdanke, habe dies nach dem Gerichtsurteil und der Diskussion jedoch "sicherlich einen Beigeschmack", findet Behnke.

Quelle: ntv.de, Jan Dörner, AFP

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