Letzter Meiler soll 2022 vom Netz Schwarz-Gelb zurrt den Atomausstieg fest
29.05.2011, 20:31 UhrIn einer Nachtsitzung einigen sich die Spitzen der schwarz-gelben Koalition auf den Rahmenplan für den Atomausstieg. Das letzte Atomkraftwerk soll demnach spätestens 2022 abgeschaltet werden. Die sieben ältesten Meiler und das AKW Krümmel gehen sofort vom Netz, wobei die Regierung ein oder mehrere AKW als "stille Reserve" in Bereitschaft halten will.

In Reichweite des Kanzleramtes starteten Umweltaktivisten zahlreiche Protestaktionen.
(Foto: dpa)
Durchbruch im Ringen um den Abschied von der Kernenergie in Deutschland: Die schwarz-gelbe Koalition will bis spätestens zum Jahr 2022 endgültig den letzten Atommeiler stilllegen. Das verlautete aus Koalitionskreisen in Berlin. Die sieben ältesten Atommeiler und das AKW Krümmel sollen sofort vom Netz gehen. Die sieben älteren AKW waren Mitte März nach der Katastrophe von Fukushima aus Sicherheitsgründen mit dem Atom-Moratorium abgeschaltet worden.
Der Großteil der restlichen Meiler soll bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, sollen die letzten drei Meiler jedoch erst 2022 abgeschaltet werden. Diese Anlagen würden als eine Art "Sicherheitspuffer" angesehen.
Noch im Herbst hatten Union und die FDP die Laufzeiten im Schnitt um 12 Jahre verlängert. Nach der Katastrophe von Fukushima vollziehen die Regierungsparteien nun eine Kehrtwende. Seit Wochen wurde um das Modell für den Ausstieg gestritten.
Atomsteuer bleibt
Häppchenweise waren erste Ergebnisse der Verhandlungen nach außen gedrungen. Bei der Energiewende sollen nach den Plänen der Koalition Kapazitäten von abgeschalteten Atomkraftwerken für eine gewisse Zeit als "stille Reserve" genutzt werden. Mit dieser Reserve "im Umfang des Bedarfs" könne auf Schwankungen in der Stromversorgung reagiert werden. Welche AKW in Bereitschaft gehalten wird, soll die Bundesnetzagentur entscheiden.
Sowohl die Ethikkommission der Bundesregierung als auch die FPD hatten eine solche Reserve gefordert. Nach Berechnungen der Bundesnetzagentur werden etwa 2000 Megawatt benötigt - dies würde in etwa der Leistung von zwei AKW entsprechen. Diese könnten in einer Art "Stand-by"-Modus bleiben.
An der umstrittenen Brennelementesteuer für die Atomkonzerne will Schwarz-Gelb festhalten. Die Steuer soll dem Bund jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen. Werden aber acht Kernkraftwerke vorzeitig abgeschaltet, verringern sich die Einnahmen auf etwa 1,3 Milliarden Euro.
Die Regierung will mit ihrem Ja zum schnellen Atomausstieg den gesellschaftlich Großkonflikt endgültig aus dem Weg räumen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich kurz vor dem Spitzentreffen zuversichtlich gezeigt. "Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind."
Kein Datum von der Ethik-Kommission

Wie hier in München hatten am Samstag Zehntausende in Deutschland gegen Atomkraft protestiert.
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Die 17-köpfige Ethik-Kommission zum Atomausstieg stellte am Wochenende ihren Abschlussbericht fertig, den Merkel offiziell am Montag erhält. Das Gremium hatte sich überzeugt gezeigt, dass der fehlende Atomstrom in zehn Jahren oder früher durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann.
Auf ein konkretes Enddatum hatten die Experten verzichtet. Sie forderten die Regierung auf, einen Sonderbeauftragten für die Energiewende zu berufen. Auch müsse es eine zügige Regelung der Endlagerung für hoch radioaktiven Atommüll geben und nach alternativen Standorten zu Gorleben in Niedersachsen gesucht werden.
Opposition stellt Bedingungen
SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte in der ARD, seine Partei sei zu einem Konsens bereit - aber mit klaren Bedingungen: "Wir werden nicht einfach Ja sagen." Deutschland brauche eine verlässliche Energiepolitik und nicht alle paar Monate abrupte Kehrtwenden. Beim früheren Atomausstieg von SPD und Grünen wäre der letzte Meiler um das Jahr 2022 vom Netz gegangen. Die Spitzen der Opposition wurden ebenfalls im Kanzleramt erwartet, um über ihre Zustimmung zum Atomkurs zu verhandeln.
Quelle: ntv.de, dpa