Verwirrung, wo Klarheit gefragt ist 32-Stunden-"Vision" geht nach hinten los
10.01.2014, 08:14 Uhr
Manuela Schwesig will als Familienministerin jungen Familien helfen. Das ist gut. Doch ihre freimütig dahergeplapperte Vorstellung, wie die Arbeitswelt künftig mit Eltern kleiner Kinder umgehen soll, verursacht zuviel Verwirrung.
Mit ihrem Vorschlag einer 32-Stunden-Vollzeit für Eltern hat die neue Familienministern zunächst nur eines erreicht: allgemeine Verwirrung. In einem Zeitungsinterview, in dem nicht viel nachgehakt wurde, hatte Schwesig von einer Art Spezialvollzeit für Eltern kleiner Kinder gesprochen. Diese sollten nach Schwesigs Vorstellung in der Vollzeit statt 40 nur 32 Stunden arbeiten müssen. Damit soll die hohe Belastung, die das Leben mit kleinen Kindern und Beruf mit sich bringt, abgefedert werden.
Für junge Eltern klingt das zunächst einmal toll - weniger arbeiten, mehr Zeit fürs Kind und für sich selbst, trotzdem Vollzeitstatus behalten und die Teilzeitfalle umschifft. Alle Probleme gelöst? Schön wär's. So konkret war Schwesig nämlich gar nicht. Das Familienministerium teilte auf Nachfrage mit, es handele sich bei Schwesigs Äußerungen lediglich um eine "Vision".
Eltern wollen Hilfe jetzt
Diese Vision so freimütig vorzutragen war nicht klug von Manuela Schwesig. Bis es vielleicht irgendwann einmal so ist, wird noch viel Zeit vergehen. Doch Eltern mit kleinen Kindern wollen etwas hören, was ihnen jetzt hilft. Die ganzen jetzt bereits vorhandenen oder geplanten familienpolitischen Leistungen sind unübersichtlich genug. Selbst für Eltern, die gezwungenermaßen in der Materie stecken. Wie das Elterngeld in seiner Reinform funktioniert, haben die meisten, die es etwas angeht, im Großen und Ganzen verstanden.
Sobald eine Mutter oder ein Vater in der Elternzeit mit reduzierter Stundenzahl arbeiten will, wird es aber wieder kompliziert. Bis zu 30 Stunden darf man schon jetzt in der Elternzeit arbeiten, also etwa 75 Prozent. Bisher waren solche Eltern im Nachteil, weil der ohnehin geringere Verdienst aus der Teilzeitarbeit mit dem Rest-Elterngeld zu ihrem Nachteil verrechnet wurde. Am Ende lohnte sich das Arbeiten in der Elternzeit finanziell gar nicht. Somit tun es in der derzeitigen Rechtslage nur die, die berufliche Nachteile befürchten, wenn sie längere Zeit aussetzen. Das sogenannte "ElterngeldPlus" soll diesen Nachteil auflösen, es ist im Koalitionsvertrag niedergeschrieben.
Keine Antworten aus dem Ministerium
Doch was hat diese konkret ausgearbeitete und beschlossene Maßnahme mit Schwesigs 32-Stunden-Vorschlag zu tun? Wie würde dieser gegebenenfalls mit dem "ElterngeldPlus" verknüpft? Keine Antwort aus dem Familienministerium. Wozu braucht es noch ein Rückkehrrecht von der Teilzeit in die Vollzeit, wenn sich Teilzeit "Vollzeit" nennen darf? Wer würde überhaupt bei dem 32-Stunden-Modell den Verdienst- beziehungsweise Arbeitsausfall auffangen? Der "Bild"-Zeitung sagte Schwesig, das Geld könne aus Steuermitteln kommen. Zudem sollen Eltern, die das "ElterngeldPlus" in Anspruch nehmen, einen Bonus von zehn Prozent auf ihr Elterngeld erhalten. Ob sich daraus womöglich ein voller Lohnausgleich zusammensetzen soll, darauf gibt es bislang keine Antwort.
Die Verwirrung könnte größer nicht sein. Schlimmer ist aber noch, dass Schwesigs Vision einen so großen Interpretationsspielraum lässt. Kritiker bemängeln nun Punkte, die nie ausgesprochen wurden und nie gemeint waren. Genauso wurden aber auch falsche Hoffnungen geweckt, die nur enttäuscht werden können. Nicht zuletzt hat die Ministerin auf der anderen Seite - bei Arbeitgebern etwa - Ängste hervorgerufen, die vielleicht gar nicht begründet sind. All das wäre nicht nötig gewesen, wenn es Frau Schwesig nur darum ging, zu zeigen, wie motiviert sie in ihrem neuen Amt der Familienministerin ist.
Quelle: ntv.de