Stiller Abschied von der Wehrpflicht "Seehofer kommt zu spät"
14.08.2010, 08:04 UhrErst die Kürzung des Wehrdienstes auf sechs Monate, nun die Pläne, die Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee umzubauen. Nach Ansicht des Bundeswehrverbandes hätten die Anhänger der Wehrpflicht viel früher für deren Erhalt kämpfen müssen.
Angesichts der Pläne des Verteidigungsministeriums für einen Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee wirft der Bundeswehrverband den Befürwortern der Wehrpflicht Versäumnisse vor. Verbandschef Ulrich Kirsch kritisierte in der "Passauer Neuen Presse" namentlich CSU-Chef Horst Seehofer, der den Koalitionsvertrag mit beschlossen hatte.
"Wenn Horst Seehofer als CSU-Vorsitzender den Ernst der Lage nun erst erkennt und auf einmal für die Wehrpflicht kämpft, ist das nicht sehr glaubwürdig. Wir hätten bei neun Monaten Wehrdienst bleiben sollen." Die sechs Monate, auf die die Koalition den Pflichtdienst verkürzt hatte, reichten "für einen sinnvollen Wehrdienst einfach nicht mehr aus", erklärte Oberst Kirsch.
Westerwelle sieht mehr Gerechtigkeit
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rechnet damit, dass es zu der von Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angestrebten Aussetzung der Wehrpflicht kommt. "Ich kann natürlich den Diskussionen innerhalb der Union nicht vorgreifen, aber ich sehe gute Chancen", sagte der FDP-Vorsitzende der "Bild am Sonntag". Zur Begründung sagte er: "Ich bin aus Gründen der Wehrgerechtigkeit für eine Aussetzung der Wehrpflicht, denn von jedem Jahrgang leisten nur noch etwa 16 Prozent der jungen Menschen Dienst in der Bundeswehr."
Die Planungsvariante für die anstehende Bundeswehrreform läuft auf ein Aussetzen der Wehrpflicht hinaus. Das ruft die Wehrpflicht-Befürworter nun auf den Plan. "Die Wehrpflicht ist ein Markenzeichen der deutschen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie gehört auch zum Markenkern der Unionsparteien", sagte der baden-württembergische CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk der Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung". "Sie kann man nicht mal eben über Bord werfen."
Probleme bei Bündniszusagen
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, warnte vor einer drastischen Verkleinerung der Bundeswehr. Die Reduzierung der Bundeswehr um circa 40.000 Soldaten führt dazu, dass die Bundeswehr ihre Bündniszusagen nicht mehr einhalten kann", sagte Arnold der "Rheinischen Post". Arnold hält lediglich 20.000 Soldaten weniger für realistisch.
Guttenberg favorisiert nach Angaben aus Koalitionskreisen ein Modell, bei dem die Zahl der Berufs- und Zeitsoldaten von rund 190.000 auf 156.000 sinken würde. Völlig neu wäre, dass 7.500 freiwillige Wehrdienstleistende im Jahr hinzukämen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Guttenberg Mutlosigkeit vor: "Weil ihm sein Parteivorsitzender Horst Seehofer verboten hat, Konsequenzen aus der veränderten Sicherheitslage zu ziehen, will er die Wehrpflicht nicht abschaffen, sondern aussetzen. Der sonst um stramme Haltung bemühte Freiherr wird zum Eiermann", sagte Trittin der "Frankfurter Rundschau".
Trittins Kollegin auf dem Doppel-Fraktionsvorsitz, Renate Künast, äußerte sich ähnlich: "Gemustert wird weiter, gezogen wird keiner." Die Wehrpflicht entspreche "in keiner Weise mehr den sicherheitspolitischen Anforderungen", sagte sie den "Ruhr Nachrichten".
Quelle: ntv.de, AFP/dpa