Politik

Dieter Janecek über die Bürde, ein Bayer zu sein "Seehofer macht eine verlogene Politik"

Dieter Janecek: "Gabriel will die Energiewende ausbremsen. Bayern will den Totalstopp."

Dieter Janecek: "Gabriel will die Energiewende ausbremsen. Bayern will den Totalstopp."

(Foto: picture alliance / dpa)

Dieter Janecek hadert mit seiner Herkunft. Das behauptete er zumindest auf dem Europaparteitag der Grünen. Mit n-tv.de sprach der bayerische Landeschef über ein schönes und schützenswertes Land, auf das man eigentlich stolz sein könnte. Eigentlich.

n-tv.de: Ein gewisser Regionalpatriotismus ist stark ausgeprägt in Bayern. Warum eigentlich ausgerechnet dort?

Dieter Janecek: Wir sind ein schönes Land mit hoher Lebensqualität, viel Natur und viel Schützenswertem. Historisch gesehen sind wir eines der ältesten Länder Europas. Diese Verwurzelung sitzt tief. Gleichzeitig ist Bayern ein Multikulti-Staat. In München leben mittlerweile mehr als 30 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund. In Bayern wächst alles zusammen. Das ist schön und gut so.

Das klingt, so, als ob auch Ihre Verwurzelung mit Bayern sehr tief sitzt.

Ich bin zwar kein gebürtiger Bayer, meine Eltern kommen aus Österreich, aber ich bin in Niederbayern in die Schule gegangen und beim Fußball bin ich seit 30 Jahren dem FC Bayern sehr verbunden (lacht). Insofern: Ich fühle mich sehr als Bayer. Ich freue mich, Bayer zu sein, aber ich trag es nicht ständig vor mir her. 

Horst Seehofer setzt auf ein Moratorium beim Ausbau großer Stromtrassen in Bayern.

Horst Seehofer setzt auf ein Moratorium beim Ausbau großer Stromtrassen in Bayern.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Gegenteil: Auf dem Europaparteitag der Grünen sagten sie, dass es dieser Tage eine Bürde sei, aus Bayern zu stammen. 

Bei zwei Themen sendet Bayern gerade sehr negative Signale. Das eine ist Europa. Da geriert sich Bayern populistisch und ausländerfeindlich. Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer führt eine Debatte über vermeintliche Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, statt die Vielfalt als Chance zu erkennen. Außerdem ist Bayern die Speerspitze einer Bewegung, die die Energiewende kaputt machen will. Da tue ich mir zurzeit schon schwer, besonders stolz aufzutreten als Bayer. Meine Aussage zu Bayern auf dem Parteitag war zwar scherzhaft. Aber es tut mir schon weh. 

Der CSU-Chef will den Bau großer Stromtrassen in Bayern stoppen. Er sagt: Es gelte zu überprüfen, ob der Bau "notwendig" sei.

Wir werden mittelfristig die Trassen brauchen, das weiß auch Horst Seehofer. Denn wenn wir keine stabile Nord-Süd-Verbindung nach Bayern kriegen, bleiben die Atomkraftwerke zwangsläufig länger am Netz und wir können unseren überschüssigen Solarstrom nicht exportieren. 

Aber ist daran wirklich die CSU schuld? Seehofer beruft sich auf  die EEG-Reform von Energiewendeminister Sigmar Gabriel. Der will die Förderung von Windkraftanlagen deckeln. Getreu dem Motto: Weniger Erneuerbare heißt geringerer Bedarf an Netzen. 

Mit diesem Deckel kann man die Klimaschutz- und Ausbauziele, die sich die Bundesregierung selbst gegeben hat, nicht erreichen. Wir Grüne setzen auf Onshore-Wind in Bayern, wir haben gerade mal 600 Windräder im Land, das ist viel zu wenig. Jeder weiß: Wind ist der wichtigste und kostengünstigste Energieträger für die Energiewende. Dazu muss man sich bekennen. Die Bundesregierung bekennt sich aber weder zu Wind, noch zu Solarenergie. Und Bayern jetzt auch nicht mal mehr zum Netzausbau. Gabriel will die Energiewende ausbremsen. Bayern will den Totalstopp.

Neben Zweifeln an der "Notwendigkeit" des Trassenbaus verweist die CSU gern auf Zweifel an dessen "Machbarkeit". Mit einem schlagenden Argument: Gegen den Willen der Bürger, lässt er sich kaum durchsetzen. 

Der Trassenausbau ist machbar, wenn man die Bürger frühzeitig mitnimmt und am besten noch über eine Rendite beteiligt. Schleswig-Holstein macht das gerade vor: Kommunen und Bürger sollen über die Ausgabe von Beteiligungsscheinen privates Kapital beisteuern für sogenannte Bürgerleitungen und erhalten dafür eine attraktive Verzinsung. Außerdem haben wir Grüne schon 2013 im Bundestag beantragt, in Gemeinden, die besonders betroffen sind, Erdverkabelung den Hochspannungsleitungen vorzuziehen. Die CSU hat das damals leider abgelehnt. 

Die Energiewende steht schon jetzt wegen ihrer Kosten in der Kritik. Ist das finanzierbar? 

Die Erdverkabelung würde ja nur einzelne kleinere Abschnitte betreffen, nicht Hunderte von Kilometern. Das Problem ist, dass die CSU 2013 diese Möglichkeit zur Berücksichtigung sensibler Gebiete mit der Zustimmung zum starren Netzausbauplan ausgeschlossen hat. Jetzt vor den Kommunalwahlen im März entdeckt sie, dass die Bürger damit nicht zufrieden sind und ruft ein Moratorium aus, das sie in einem halben Jahr widerrufen wird. Das ist eine verlogene Politik, zumal die Modernisierung der Netze auch ohne Energiewende notwendig wäre.

Wie erklären sie sich, dass Seehofer mit der Politik, wie sie sie beschreiben, trotzdem absolute Mehrheiten in Bayern einfährt und die Grünen um zweistellige Ergebnisse kämpfen müssen?

Ich glaube, dass wir im letzten Jahr Fehler gemacht haben. Wir haben das Projekt Zukunft schaffen mit der Energiewende und ökologischer Modernisierung nicht weit genug nach vorne gestellt - vor allem im Bund. Daraus haben wir mittlerweile gelernt. Die Auseinandersetzung mit einer CSU, die offensichtlich die Energiewende abwracken will, werden wir entschieden führen. Aber natürlich muss man auch anerkennen, dass es Bayern vergleichsweise gut geht in vielen Bereichen. Wenn das aber so bleiben soll, müssen wir eben entschlossen auf erneuerbare Energien setzen.

Mit Dieter Janecek sprach Issio Ehrich

Quelle: ntv.de

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