Politik

New York improvisiert Selbst die Hipster helfen mit

Pendler warten auf die Fähre, um von New Jersey nach Manhattan überzusetzen.

Pendler warten auf die Fähre, um von New Jersey nach Manhattan überzusetzen.

(Foto: REUTERS)

"Upper Manhattan ist wie ein Flüchtlingslager", sagt ein New Yorker. Denn viele Wohnungen im Süden der Insel sind wegen des anhaltenden Stromausfalls mehr oder weniger unbewohnbar. New York macht, was es bei Krisen immer tut: Es improvisiert.

Normalerweise ist Hilfsbereitschaft nicht die typischste Eigenschaft der Einwohner New Yorks. Doch nichts ist normal, nachdem der Hurrikan "Sandy" in der Nacht zum Dienstag Zerstörungen, Überschwemmungen und Stromausfälle in die US-Ostküstenmetropole brachte. Die New Yorker sind aufeinander angewiesen - und lassen sich viel einfallen, um dem Chaos zu trotzen.

New York geht der Sprit aus

DenNew Yorkern geht wenige Tage nach dem Wirbelsturm "Sandy" das Benzinaus. Immer mehr Tankstellen haben keine Vorräte mehr, an anderen bilden sichlange Schlangen. In einigen Teilen des Katastrophengebietes wird Treibstoff nurnoch rationiert abgegeben. New Yorks Bürgermeister Bloomberg lässt derweil eineAnordnung strikt durchsetzen: Wer mit dem Auto in die Stadt fahren möchte, mussmindestens drei Leute im Wagen haben. Damit will Bloomberg das wenige Benzin inder Region besser nutzen und die Straßen entlasten.

Jordan Elpern-Waxman, dessen Appartment in der Lower East Side seit "Sandy" ohne Strom, Heizung und Wasser ist, zog zu einer Bekannten in Brooklyn. Auch in den Vierteln von Manhattan, in denen der Sturm weniger wütete, wurden allerorten Sturmopfer untergebracht. "Upper Manhattan ist wie ein Flüchtlingslager", sagt Elpern-Waxman.

Angie Dykshorn hat keinen Strom in ihrer Wohnung im East Village. Ihr Mobiltelefon hat die 36-jährige Fotografin daher an der Straße aufgeladen - an einer behelfsmäßigen, fahrradbetriebenen Ladestation. Auch Banken oder Supermärkte erlauben es Bedürftigen, Strom abzuzapfen. Einige Sporthallen bieten kostenloses Duschen an, während einzelne Restaurants gratis Essen verteilen. Eine Gruppe Fahrradkuriere hat sich für ehrenamtliche Hilfslieferungen zusammengeschlossen.

Erinnerung an 9/11

Für Selbstständige, die ihre Firma nicht einfach ein paar Tage ruhen lassen können, vermittelt Charlie O'Donnell über Twitter Büroplätze in Unternehmen, die Strom haben. Der 33-Jährige kontaktierte Firmen, mit denen er beruflich zu tun hatte, und fragte nach freien Tischen. Die Coworking-Plätze gibt er über Twitter weiter. Viele New Yorker fühlen sich an die Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erinnert, als die Einwohner der Millionen-Metropole unter dem Schock der Ereignisse ebenfalls zusammenrückten.

Im Internet werden auf etlichen Webseiten Helfer vermittelt. Im Netzwerk "Occupy Sandy", dessen Name auf den Anti-Banken-Protest "Occupy Wall Street" anspielt, kündigt Monica O'Malley den Aufbau eines Versorgungs-Treffpunkts in der Upper West Side an. Von dort aus sollen Lebensmittel und Wasser zur Lower East Side transportiert werden.

Vor allem alte und kranke Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen können, sind dringend auf Unterstützung angewiesen. In vielen Häusern funktionieren wegen des Stromausfalls die Fahrstühle nicht. Melissa Maldonado-Salcedo half ihren Nachbarn, Wasser von städtischen Pumpen die Treppen ihres Wohnhauses in der Lower East Side hinaufzuschleppen. Alle in ihrem angesagten Viertel hätten nach "Sandy" mit angepackt - die "Hipster" zusammen mit den sozial Engagierten, sagt Maldonado-Salcedo.

Im Alphabet District im südöstlichen Manhattan, wo der Strom durch "Sandy" ausfiel, sind besonders viele Bewohner auf Hilfe angewiesen. Hier leben viele ärmere Menschen, wie die 74-jährige Judith Vorreuter, die allein mit ihren zwei Hunden im Erdgeschoss eines Sozialbaus wohnt. Ihre Wohnung wurde überschwemmt, als der East River sich in die Straßen Manhattans ergoss: "Der Fluss wurde in der 10. Straße zu einem reißenden Strom. Das Wasser stieg bis zu den Autofenstern. Meine Wohnung stand unter Wasser. Zum Glück haben mir die Nachbarn geholfen."

Während viele Bewohner des Viertels in Notunterkünften hausen, kam Vorreuter bei einer Freundin im selben Haus unter. Die beiden Frauen haben einen Laden gefunden, in dem sie Pommes Frites, Schokolade, Äpfel und Bananen kaufen konnten. Für diejenigen, die kein Geld zum Einkaufen haben, gibt es die Stände, an denen kirchliche und andere wohltätige Organisationen Essen ausgeben.

Aber nicht alle Bürger wollen Hilfe annehmen. "Ich wohne im 5. Stock", sagt Anastasia Lacdo, eine 86-jährige Ukrainerin, während sie langsam mit ihrem Stock und der Einkaufstasche durch die Straße schreitet. "Ich habe kein Licht und kein warmes Wasser. Aber ich brauche nichts", sagt sie stolz. "Ich steige die Treppen und mache meine Einkäufe."

Quelle: ntv.de, Sara Hussein, AFP

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