Politik

Schutz statt Strafe Sicherungsverwahrung

Die Sicherungsverwahrung dient nicht der Sühne der Schuld. Vielmehr soll die Bevölkerung vor besonders gefährlichen Tätern geschützt werden, die ihre Haftstrafe schon abgesessen haben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Nach geltendem Recht kann ein Täter auf unabsehbare Zeit im Gefängnis bleiben. Voraussetzung ist, dass er sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut schwere Verbrechen begehen würde. Ob davon auszugehen ist, legen psychiatrische Gutachter in einem Verfahren vor Gericht dar. Die Sicherungsverwahrung muss alle zwei Jahre überprüft werden.

Das Problem der Rückwirkung

Im Frühjahr 1998 trat eine Reform des Strafrechts in Kraft, in deren Rahmen die bis dahin geltende Begrenzung der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre aufgehoben wurde. In einigen Fällen kamen die verschärften Bestimmungen rückwirkend zur Geltung. Betroffen sind knapp 70 "Altfälle". Einer von ihnen verklagte die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und gewann.

Am 17. Dezember 2009 entschied die Kleine Kammer des Gerichts, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Geklagt hatte ein 52-Jähriger, der in einem Gefängnis im hessischen Schwalmstadt einsitzt. Das Urteil ist Mitte März rechtskräftig, bis dahin können beide Parteien eine Überprüfung durch die Große Kammer des Straßburger Gerichts beantragen. Das Bundesjustizministerium prüft einen solchen Schritt derzeit.

Doppelt bestraft?

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte, der Kläger sei in einem gewöhnlichen Gefängnis untergebracht, seine Sicherungsverwahrung sei ein Freiheitsentzug und somit eine Strafe. Damit wäre der Mann jedoch doppelt bestraft, denn seine eigentliche Strafe hatte er ja bereits abgesessen. Der Mann war 1986 zuletzt wegen versuchten Raubmordes zu fünf Jahren Haft verurteilt worden, das Gericht hatte gleichzeitig seine anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Da dies vor 1998 geschah, sahen die Richter zudem das Rückwirkungsverbot in der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt.

Denn wenn es nach der Rechtslage gegangen wäre, die zum Zeitpunkt seiner Verurteilung galt, hätte der Gefangene am 8. September 2001 auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Stattdessen wurde seine Sicherheitsverwahrung im Frühjahr 2001 auf unbestimmte Dauer verlängert.

Das Bundesverfassungsgericht sah hierin übrigens kein Problem: Die Karlsruher Richter urteilten, die Sicherungsverwahrung sei keine Strafe, sondern eine "Maßregel zur Besserung und Sicherung". Daher sei das Rückwirkungsverbot für Strafen hier nicht anwendbar.

Drei Arten von Sicherungsverwahrung

Derzeit gibt es drei Arten der Sicherungsverwahrung. Das Gericht kann bei hochgefährlichen Straftätern bereits mit dem Urteil eine anschließende Sicherungsverwahrung anordnen. Oder das Gericht hält im Urteil die Möglichkeit einer solchen Anordnung offen. Stellt sich die besondere Gefährlichkeit des Verurteilten erst im Strafvollzug heraus, gibt es seit Juli 2004 als dritte Möglichkeit die nachträgliche Sicherungsverwahrung. Diese Regelung ist umstritten; Kritiker wenden ein, sie verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung.

Im Juni 2008 hat der Bundestag die Möglichkeit einer nachträglichen Sicherungsverwahrung auch für Jugendliche geschaffen. Damit können besonders gefährliche Kriminelle, die mindestens sieben Jahre Jugendstrafe bekommen haben, nach Haftverbüßung weiter eingesperrt werden. Zwei Gutachten müssen ihre Gefährlichkeit belegen.

Koalition will "Schutzlücken" schließen

Union und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag "eine Harmonisierung der gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch" vereinbart, "die rechtsstaatlich und europarechtskonform ist". Dabei sollen "Schutzlücken" geschlossen werden. Die Sicherungsverwahrung soll zugleich "ihren Ausnahmecharakter" behalten und "auf schwerste Fälle beschränkt" bleiben.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP

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