CDU fordert sie, Faeser dagegen Sind Grenzkontrollen trotz allem die Lösung?


Grenzkontrollen, vor allem wenn sie nur punktuell sind, könnten die meisten Asylbewerber nicht davon abhalten, einen Antrag zu stellen.
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Stationäre Grenzkontrollen sind in Zeiten offener Grenzen in Europa für viele nur noch eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten. Die CDU fordert nun, diese an den Grenzen zu Polen und Tschechien wieder einzuführen. Aber ist das wirklich die Lösung?
Als Friedrich Merz neulich nach stationären Grenzkontrollen gefragt wurde, quälte sich der CDU-Chef geradezu. "Mir tut das in der Seele weh", sagte er im ARD-Sommerinterview, "aber wenn wir an den europäischen Außengrenzen nicht genug schützen können, und das können wir im Augenblick nicht, dann müssen die Binnengrenzen besser schützen." Er forderte Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen. Damit ist der Parteivorsitzende nicht allein: Im Interview mit ntv.de forderte auch der Brandenburger CDU-Chef Jan Redmann zumindest für die Grenzen zu Polen und Tschechien das Gleiche. Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster, ebenfalls CDU, zählt zu den Befürwortern solcher Kontrollen.
Fürsprecher gibt es auch in der SPD - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke wünscht sie sich ebenfalls. Doch der SPD gehört auch die Politikerin an, die sich der Forderung nach stationären Grenzkontrollen widersetzt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie müsste die Grenzkontrollen anordnen, tut dies aber bislang nicht. Dafür müsste sie dies nur bei der EU anzeigen, mehr wäre nicht erforderlich. Im Mai gab es sogar einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, wonach diese eingeführt werden sollen, wenn die Lage es erfordert. Für Woidke ist das mittlerweile der Fall.
Faeser sieht das anders. Ende Mai besuchte sie Grenzübergänge zu Polen und Tschechien und sprach sich gegen stationäre Kontrollen aus. "Stationäre Grenzkontrollen, das muss man sich bewusst machen, sind ein großer Einschnitt in den Alltag vieler Menschen. Pflegekräfte, Handwerker und viele andere Pendler, die tagtäglich auf beiden Seiten der Grenze tätig sind, wären hiervon betroffen. Verzögerungen und Kontrollen an der Grenze treffen unsere Wirtschaft hart", sagte die Ministerin. Faeser kündigte an, die Schleierfahndung an der deutsch-polnischen Grenze zu verstärken. Auch mehr gemeinsame Streifen vor und hinter der Grenze solle es geben.
Zahlen unerlaubter Grenzübertritte steigt seit langem
Seit Monaten köchelt der Streit zwischen Bund und Ländern, der Druck im Kessel steigt mit jeder neuen Statistik über zugereiste Flüchtlinge. Seit zwei Jahren steigen die Zahlen, wie die Bundespolizei mitteilte. Bis Ende Juli stellten die Beamten demnach bereits 56.000 "unerlaubte Einreisen" fest. Das sind nur rund anderthalbtausend weniger als im gesamten Jahr 2021 und weit mehr als die Hälfte als 2022. Im vergangenen Jahr wurden 92.000 Menschen bei der illegalen Einreise aufgegriffen. Die Tendenz zeigt nach oben. Höchste Zeit für Grenzkontrollen also?
Es gibt bereits ein Beispiel: Bayern kontrolliert seit Herbst 2015 die Grenze zu Österreich. Für die Gewerkschaft der Polizei ist das aber kein Erfolgsmodell. "Diese Kontrollen in Bayern sind unsinnig", sagt Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im ntv.de-Interview. Denn, so der Experte, dort werde lediglich an vier oder fünf Übergängen stationär kontrolliert. Die gesamte restliche Grenze ist weiterhin offen. Schleuser müssen also nichts weiter tun, als die bekannten Kontrollposten zu umfahren. Die stationären Grenzkontrollen seien eine "schöne Bühnenveranstaltung, die dem Bürger Sicherheit suggerieren soll", meint Roßkopf, der auch CSU-Mitglied ist.
Kontrollen an allen Grenzübergängen seien aber nicht machbar, sagt der Polizeigewerkschafter. "Wir sprechen bei den Grenzen zur Schweiz, zu Österreich, Tschechien und Polen von mehr als 2400 Kilometern", sagt er. "Dort gibt es unzählige Wege, mittelgroße Straßen, Bundesstraßen und Autobahnen. Das alles müsste man kontrollieren." Dafür fehle es an Personal und vor allem Infrastruktur. Was dafür erforderlich wäre, ginge weit über die altbekannten Schlagbäume hinaus. Dazu zählen Ausfahrtbuchten, Büros, Gewahrsamsräume, wettergeschützte Kontrollstellen, um nur einige zu nennen.
Immerhin: Das bayerische Innenministerium zog im vergangenen Jahr eine positive Bilanz seines Grenzschutzes. 3068 unerlaubte Einreisen wurden festgestellt, ein Plus von 58 Prozent. Allerdings ist diese durchaus erfolgreiche Arbeit wohl kaum den Grenzkontrollen zu verdanken, wie Roßkopf erklärt. Ausschlaggebend sei vielmehr der Einsatz hinter der Grenze, die sogenannte Schleierfahndung, die ja auch Faeser will. "Die bayerische Polizei macht es genau richtig, aber nicht wegen der stationären Grenzkontrollen, sondern wegen der Schleierfahndung hinter der Grenze", so der Experte. "Sie arbeitet hochprofessionell und sehr flexibel mit bestens ausgestatteten Beamten." Diese Schleierfahndung sei vorbildlich und effektiv.
Doch Kontrollen, seien sie auch noch so erfolgreich, ändern wenig an der hohen Zahl von Asylbewerbern. Denn abweisen dürfen Polizisten diese an den Grenzen ohnehin nicht - abgesehen von Ausnahmefällen wie bereits abgelehnte Asylbewerber mit Wiedereinreisesperre. Über Asylanträge dürfen die Beamten nicht entscheiden. Sie müssen diese Menschen an die zuständige Ausländerbehörde im Inland weiterleiten.
Soll der Zuzug verhindert werden, wären grenzübergreifende Polizeistreifen schon eher dazu geeignet. Wenn Asylbewerber auf polnischem Boden angetroffen werden, müssten sie zunächst dort bleiben. Allerdings ist auch dabei die Frage, ob es diese Menschen lange in Polen hält, wenn sie eigentlich nach Deutschland wollen - und wie groß der Elan der polnischen Behörden wäre, die Weiterreise Richtung Westen zu verhindern.
Faeser verlängert Kontrollen im Süden
Insofern ist es bemerkenswert, dass Faeser die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze erst im April für sechs Monate verlängern ließ. Ihre Begründung: Ein besorgniserregender "Höchstwert der festgestellten irregulären Migration an den EU-Außengrenzen" - womit sie gar nicht so anders klingt als die CDU-Politiker, die das Gleiche für die deutschen Ostgrenzen fordern. In einem Schreiben an die EU nannte Faeser die Grenze zu Österreich aber "die Hauptroute irregulärer Migration nach Deutschland".
CDU-Politiker wie Merz oder auch Redmann, aber auch Innenministerin Faeser, sind sich einig, dass der Zuzug von Asylbewerbern nur europäisch geregelt werden kann. Im Juni einigten sich die Mitgliedsstaaten auf strengere Regeln. Demnach sollen Menschen mit geringer Bleibeperspektive in Lagern an der Grenze bleiben und gar nicht erst auf die EU-Länder verteilt werden.
Die CDU dürfte noch ein anderes Datum im Blick haben: Im Herbst 2024 wird in drei ostdeutschen Bundesländern ein neuer Landtag gewählt - überall könnte die AfD stärkste Kraft werden. Die Partei fordert seit Jahren Kontrollen an den deutschen Außengrenzen. Es könnte also vor allem darum gehen, der Konkurrenz von rechts den Wind aus den Segeln zu nehmen. An den hohen Asylbewerberzahlen würden Grenzkontrollen jedenfalls kaum etwas ändern.
Quelle: ntv.de