Regierung könnte Notstand über Ukraine verhängen Sind die Demonstranten in die Falle getappt?
27.01.2014, 10:02 Uhr
Sie stehen sich seit Tagen gegenüber. Nun konnten die Regierungsgegner das Justizministerium stürmen, ohne dass das Militär einschritt.
(Foto: REUTERS)
Regierungsgegner in der Ukraine besetzen das Justizministerium in Kiew und geben damit Anlass, laut über die Verhängung des Notstands zu diskutieren. Oppositionsführer Klitschko ahnt Ungemach und versucht, die Demonstranten wieder aus dem Gebäude zu holen.
In der Ukraine sind die Proteste gegen die Regierung außer Kontrolle geraten. Regierungsgegner hatten in der Nacht das Justizministerium gestürmt und halten es noch immer besetzt. Sicherheitskräfte hatten die Demonstranten gewähren lassen. Journalisten vor Ort gehen davon aus, dass die Demonstranten damit in eine Falle getappt sind. Sollten sie das Gebäude nicht umgehend wieder verlassen, hätte die ukrainische Justizministerin Olana Lukasch alle Möglichkeiten, den Nationalen Sicherheitsrat aufzufordern, "darüber zu diskutieren, ob ein Notstand in diesem Land verhängt wird", wie diese erklärt hatte.
Einer der Oppositionsführer, Vitali Klitschko, rief die Demonstranten am Morgen auf, das Gebäude wieder zu verlassen und sich nicht zu Gewalttaten hinreißen zu lassen. "Sie wollen bleiben, aber ich werde versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen", sagte Klitschko am Morgen in Kiew. Es gelte, eine politische Lösung des Machtkampfs zu finden und Provokationen zu vermeiden.
Justizministerin Lukasch sagte, dass sie zwar auf eine friedliche Regelung hoffe. Sollten sich die Demonstranten aber nicht zurückziehen, werde sie die Lage mit dem Nationalen Sicherheitsrat besprechen, sagte Lukasch. Dabei werde möglicherweise auch die Verhängung des Notstands in der Ex-Sowjetrepublik erörtert.
Die Regierungsgegner hatten das Ministerium in Kiew in der vergangenen Nacht besetzt. Dutzende Demonstranten warfen die Fenster im Erdgeschoss des Gebäudes im Zentrum der Hauptstadt ein und übernahmen die Kontrolle über das komplette Ministerium. Danach begannen sie, mit Müllcontainern und schneebefüllten Säcken Barrikaden vor dem Ministerium zu errichten.
Jazenjuk hat sich noch nicht geäußert
Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Präsident Viktor Janukowitsch und vorgezogene Neuwahlen. Mehrere Gesprächsrunden zwischen Janukowitsch und der Opposition brachten zunächst keine Annäherung. Am Samstag bot der Staatschef den Oppositionsführern dann überraschend eine Machtteilung an: Arseni Jazenjuk sollte Ministerpräsident, Klitschko sein Stellvertreter werden.
Während sich Jazenjuk bisher nicht abschließend zu dem Angebot äußerte, legte sich Klitschko fest. Der Boxweltmeister sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich kann mir nicht vorstellen, Vize-Premier unter diesem Präsidenten zu sein. Das wäre ein Verrat an unseren eigenen Leuten gewesen. Es führt kein Weg an Janukowitschs Rücktritt vorbei."
Die Demonstrationen der Opposition weiteten sich zuletzt von Kiew auf die Provinzen aus. In zahlreichen Provinzen im proeuropäischen Westen des Landes werden inzwischen die Regionalverwaltungen von Regierungsgegnern blockiert. So sollen derzeit 11 der 27 Gebietsverwaltungen in ihrer Hand sein. Die Proteste waren Ende November durch die überraschende Entscheidung der Regierung ausgelöst worden, ein über Jahre mit der Europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungsabkommen nicht zu unterzeichnen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP