Politik

Verstorbener Autokrat Lee Kuan Yew Singapurs Vater lässt sein "Baby" allein

Bis zum Schluss im Zentrum: Formal führt Lees Sohn seit Jahren Singapur. Doch der Senior zog weiter die Fäden im Hintergrund.

Bis zum Schluss im Zentrum: Formal führt Lees Sohn seit Jahren Singapur. Doch der Senior zog weiter die Fäden im Hintergrund.

(Foto: REUTERS)

Lee Kuan Yew führte Singapur wie ein strenger Patriach seine Familie. Reich und erfolgreich wurde das winzige Land so - aber nicht erwachsen und stabil, wie der nun verstorbene Autokrat selbst glaubte.

Mit seinem alten Freund Helmut Schmidt hat Singapurs Staatsgründer Lee Kuan Yew seine intellektuelle Brillanz im hohen Alter noch einmal funkeln lassen. 2012 war das, als Schmidt zu einer Art Abschiedsbesuch nach Singapur kam und die beiden einflussreichen Politiker vor gebanntem Publikum über Chinas Aufschwung, Amerikas Selbstzweifel und Europas Krise parlierten. Wie der deutsche Ex-Kanzler hat Lee bis ins hohe Alter als scharfer Denker in nationalen und internationalen Debatten mitgemischt. Lee starb nun im Alter von 91 Jahren.

Der winzige Stadtstaat in Asien nahe dem Äquator ist ohne Lee undenkbar. Der smarte Jurist mit Studienabschluss aus Cambridge hat die kleine, damals ärmliche Insel erst in die Unabhängigkeit von den Briten und dann in die Spitzengruppe internationaler Finanzzentren geführt. 31 Jahre lenkte er als Regierungschef selbst die Geschicke. Dann saß er noch 20 Jahre als wichtigster Chefberater mit am Kabinettstisch. Seit 2004 ist sein Sohn Lee Hsien Loong Regierungschef.

Lee senior machte das rohstoffarme Singapur mit heute 5,4 Millionen Einwohnern zwar zum Exzellenzzentrum für Logistik, für Gen-Forschung, für Nano-Technologie und die Finanzwirtschaft. Das Land hat heute eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Aber Lee trieb immer die Sorge, sein "Baby" könnte doch noch untergehen. "Auf was ist Singapur schon gebaut?" fragte er etwa. "700 Quadratkilometer und jede Menge clevere Ideen, die bislang funktioniert haben - aber das könnte alles schnell den Bach hinunter gehen."

Mit dieser Sorge im Nacken dirigierte er das Land mit fester Hand. Seine Partei ist seit der Unabhängigkeit an der Macht, und hält mehr als 90 Prozent der Sitze. Die Medien sind nicht frei, Demonstrationen verboten. Die Regierungspartei kann Wahlkreise nach Belieben umformen. "Ein Autokrat" war die freundlichste Charakterisierung seiner Kritiker. "Im Westen schätzt man die Freiheiten des Einzelnen. Aber als Asiat mit chinesischen Wurzeln sind meine Werte: eine gute Regierung, ehrlich, effektiv und effizient", sagte er einmal.

Kurzer Prozess für "Armleuchter"

Mit Leuten, die seine Vision nicht teilten, machte er kurzen Prozess. Er zog gegen viele politische Gegner mit Verleumdungsklagen ins Feld. Sie zogen unter den Singapurer Gesetzen stets den Kürzeren, bekamen Millionenstrafen aufgebrummt, gingen bankrott und konnten so nicht mehr für politische Ämter antreten.

Es sei halt manchmal nötig, Oppositionspolitiker zu "vernichten", sagte Lee ohne Reue 2011. Die Regierung verhindere keine politische Konkurrenz. "Wir verhindern, dass Armleuchter ins Parlament oder die Regierung kommen." In Lees Kleinstaat bleibt Homosexualität per Gesetz bis heute verboten, ebenso Kaugummi auf die Straße zu spucken oder nackt in seiner eigenen Wohnung herumzuspazieren. Die Prügelstrafe gilt noch. Als "Kindermädchenstaat", der seine Bürger bevormundet, so wird das Land oft belächelt.

Doch Investoren kommen in Scharen. Mit null Toleranz für Korruption hat Lee Singapur zum bevorzugten Asienstandort zahlreicher internationaler Banken und Unternehmen gemacht. 1400 deutsche Unternehmen haben Singapur-Niederlassungen. Lees Tod dürfte das Land zu Reformen zwingen, schrieb Sally Andrews von der Universität Sydney jüngst in der Zeitschrift "The Diplomat". Zu Lebzeiten Lees sei die Dominanz seiner Partei PAP garantiert gewesen, aber: "neue Generationen werden den wirtschaftlichen Erfolg nicht mehr als Quelle der Legitimation nutzen können". Wenn sie den Untergang des Regimes verhindern wollten, wäre es hilfreich, die politische Arena für Konkurrenten zu öffnen, argumentiert Andrews.

Quelle: ntv.de, Christiane Oelrich, dpa

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