Der Glückskeks Snowden erfreut Peking
13.06.2013, 14:09 Uhr
Die "South China Morning Post" veröffentlichte ein Interview mit Snowden.
(Foto: AP)
Für die USA ist es eine Katastrophe, für China eine prima Sache: Die Enthüllungen eines ehemaligen Geheimdienstlers bringen Washington in peinliche Erklärungsnot und sorgen in Peking für süffisante Kommentare. Ob Snowden das gewollt hat?
China muss derzeit das Land des Lächelns sein. Oder wie es der in Peking lebende US-amerikanische Publizist Bill Bishop formuliert: "Weihnachten im Juni. Und Edward Snowden ist Santa Claus."
In der Tat, die Enthüllungen des Computerexperten über die
Und dann platzt die Bombe. Der britische "Guardian" und die "Washington Post" berichten über ein gigantisches Datensammelsystem namens Prism. Zuvor hatte Snowden, ihre Quelle, im NSA-Büro auf Hawaii die letzten Dokumente für seine Enthüllungen kopiert. Anschließend setzte er sich in einen Flieger nach Hongkong, um in der halbautonomen chinesischen Metropole Zuflucht zu suchen.
China spottet
Für Washington sind die Enthüllungen ein Desaster, für Peking ein Glücksfall. "Es stellt sich heraus, dass die größte Bedrohung für individuelle Freiheit und Privatsphäre in den USA die ungezügelte Macht der Regierung ist", kontert Außenpolitikexperte Li Haidong in der "China Daily" süffisant.
Die US-Amerikaner "verstehen sich als leuchtendes Beispiel für gute Regierungsführung, als moralische Richter über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Grundrechte", ätzt die in Hongkong erscheinende "South China Morning Post". Der Skandal zeige aber, dass den USA nicht getraut werden könne. "Die US-Regierung praktiziert nicht immer selbst, was sie predigt, nicht einmal im eigenen Land."
Ein Trumpf für Peking
Während die US-Administration in großen Erklärungsnöten steckt, legt Snowden in einem Interview mit der Zeitung in der ehemaligen britischen Kronkolonie nach und wirft dem US-Geheimdienst NSA vor, dieser habe seit 2009 versucht, sich Zugang zu Hunderten von Zielen in China und Hongkong zu verschaffen. Ziele seien unter anderem Universitäten, Unternehmen und öffentliche Funktionsträger gewesen. Diese Angriffe zeigten die "Scheinheiligkeit" der US-Regierung, wenn diese behauptet, keine zivile Infrastruktur anzugreifen.
Vor diesem Hintergrund wird die Motivation Snowdens in den USA kritisch diskutiert. Während ihn die einen loben, stellen andere seine Motive infrage. Wenn es ihm primär um die Privatsphäre von Menschen gehe, warum spricht er dann von den Geheimdienstoperationen gegen chinesische Ziele und erweist damit der Regierung in Peking einen wertvollen Dienst, lautet eine der Fragen. Eine andere: Warum ist er überhaupt ausgerechnet nach Hongkong gereist? Snowden selbst spricht von einer "starken Tradition der Redefreiheit". Er wolle sich um Asyl bemühen, allerdings anderswo – vielleicht in Island. Das wirft allerdings die Frage auf, warum er nicht direkt auf die Insel geflogen ist, sondern erst in Hongkong Station macht.
Was auch immer die Gründe Snowdens sind, China profitiert immens von seinen Enthüllungen. Er befindet sich nun unter Aufsicht Pekings und ist dessen größte außenpolitische Waffe – ob er das nun mag oder nicht.
Quelle: ntv.de