Feuerpause und Gegenoffensive So ist die Lage in den Kriegsgebieten
05.03.2022, 13:27 Uhr
Ein ausgebrannter Lkw steht auf Zufahrtsstraße nach Kiew.
(Foto: picture alliance/dpa/CTK)
Im Ukraine-Krieg ist erstmals eine Feuerpause in Kraft getreten. Die russische und die ukrainische Armee wollen damit einen humanitären Korridor in der Schwarzmeerstadt Mariupol ermöglichen, den die Zivilbevölkerung zur Flucht nutzen kann. Allerdings musste die Evakuierung nach wenigen Stunden aufgrund neuer Feuergefechte abgebrochen werden. Gleichzeitig setzt Russland seine Offensive in anderen Kriegsgebieten wie der Hauptstadt Kiew und der Metropole Charkiw fort. Im Osten des Landes hat nach ukrainische Angaben eine Gegenoffensive begonnen.
Die Lage in Mariupol: Die strategisch wichtige Hafenstadt am Asowschen Meer im Südosten der Ukraine ist eingekesselt und liegt seit Tagen unter russischem Beschuss. Um 8 Uhr (MEZ) trat allerdings eine Feuerpause in Kraft. Es ist die erste Atempause für die Ukraine nach mehr als einer Woche Krieg - wenn auch nur regional und zeitlich begrenzt: Die Pause gilt nach Angaben russischer und ukrainischer Streitkräfte bis 15 Uhr, auch für die 65 Kilometer entfernte Stadt Wolnowacha. In dieser Zeit soll die Zivilbevölkerung humanitäre Korridore zur Flucht nutzen können.
Nach ukrainischen Angaben musste die Evakuierung allerdings nach wenigen Stunden gestoppt werden. Der Stadtrat wirft Russland vor, die Waffenruhe nicht einzuhalten.
In Mariupol leben 440.000 Menschen. Nach ukrainischen Schätzungen könnten bis zu 200.000 Menschen die Stadt verlassen, also fast jeder zweite Bewohner. Nach Angaben des russischen Militärs schließen "Truppen der Volksrepublik Donezk" derzeit den Ring um Mariupol.
Die Lage in Kiew: In der ukrainischen Hauptstadt war die Nacht nach Angaben der Behörden "ruhig". "Die Lage ist unter Kontrolle", teilen sie mit. Die Versorgung mit Elektrizität und Wasser funktioniere. Am Vormittag sollen sogar die öffentlichen Verkehrsmittel wieder ihren Betrieb aufgenommen haben. Im Zentrum der Stadt waren nach internationalen Presseangaben aber auch Explosionen zu hören.
Nach Angaben der Streitkräfte versuchen russische Truppen nach wie vor die Millionenstadt zu umzingeln. Die Angriffe würden allerdings zurückgeschlagen, dem Gegner Niederlagen zugefügt, heißt es. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht überprüfen.
Der riesige Militärkonvoi, der sich seit dem 28. Februar aus nordwestlicher Richtung auf Kiew zubewegt, scheint nach wie vor nur schleppend voranzukommen. Nach Angaben des Pentagon soll er sich noch 25 Kilometer von Kiew entfernt befinden. In den vergangenen zwei Tagen hätte er damit lediglich fünf Kilometer zurückgelegt. Laut ukrainischer Darstellung haben sich russische Truppen zudem von dem strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew zurückgezogen.
Die Lage in Charkiw: Auch die zweitgrößte Stadt des Landes, die in den ersten Kriegstagen von besonders schweren russischen Bombardements betroffen war, befindet sich nach wie vor unter ukrainischer Kontrolle. Die russische Seite versuche, Charkiw einzukesseln, lautet die Darstellung der ukrainischen Streitkräfte.
Anscheinend werden in der Region allmählich die Lebensmittel knapp. "Gerade aus Kiew und Charkiw erreichen uns Berichte, dass Nahrungsmittel ausgehen und Trinkwasser knapp wird", sagt Martin Frick, Direktor des UN-Welternährungsprogramms in Deutschland, in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Demnach harren die Menschen in den Kellern aus und können nur unter größter Gefahr Besorgungen machen.
In der Nähe der Stadt hat nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte eine Gegenoffensive begonnen. Demnach hatte Russland zuvor seine Truppen, die aus den Separatistengebieten Donezk und Luhansk stammen, aus Charkiw abgezogen.
Die Lage am Atomkraftwerk Saporischschja: Europas größtes Atomkraftwerk wird seit Freitagmorgen von russischen Truppen kontrolliert, wie seit vergangener Woche auch die Atomruine in Tschernobyl. Nach Ansicht vieler Experten bestand trotz der Kämpfe und trotz eines Feuer keine Gefahr einer nuklearen Katastrophe. "Aber es ist klar, dass die Dinge schnell aus dem Ruder laufen können", sagte beispielsweise die Leiterin der Nationalen Verwaltung für Nukleare Sicherheit der USA, Jill Hruby, bei CNN. "Um es milde auszudrücken: Es ist eine schlechte Idee, rund um ein Atomkraftwerk zu kämpfen."
Die Lage in Tschernihiw: Am Freitag hatten die ukrainischen Behörden mitgeteilt, dass in der nordukrainischen Stadt bei Luftangriffen 47 Menschen gestorben sind. Seitdem liegen keine neuen Todesmeldungen vor. Auch nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums hat der Beschuss in den vergangenen 24 Stunden abgenommen - ähnlich wie in anderen Städten. "Insgesamt war die Zahl der russischen Luft- und Artillerieschläge geringer als an den Vortagen", teilt es auf Twitter mit. Die Ukraine halte weiter die wichtigen Städte Charkiw, Tschernihiw und Mariupol.
Die Lage in Cherson: Die Seehafenstadt im Süden der Ukraine, nordwestlich der Krim gelegen, steht seit Donnerstag unter russischer Kontrolle.
Die Lage in anderen Städten und Regionen: Das britische Verteidigungsministerium berichtet ebenfalls über Straßengefechte in Sumy, im Nordosten der Ukraine. Demnach ist es sehr wahrscheinlich, dass die Stadt mit 265.000 Einwohnern von russischen Kräften umstellt ist. Ferner rückten die russischen Truppen britischen Erkenntnissen zufolge auf die südukrainische Stadt Mykolajiw vor. Es sei aber möglich, dass diese Stadt umgangen werde, um sich auf den Vormarsch auf die Millionenmetropole Odessa zu konzentrieren, heißt es.
Quelle: ntv.de, chr/dpa/rts