"Man darf jetzt nicht stehen bleiben" Sorgerechtsurteil nur Minimallösung
03.08.2010, 17:33 Uhr
Ein Schritt fehlt noch: Rainer Sonnenberger hält den momentanen Zustand für eine unbefriedigende Minimallösung.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass . Bisher war dies nur mit Zustimmung der Mutter möglich. n-tv.de sprach mit Rainer Sonnenberger vom Verein "Väteraufbruch für Kinder" über das Urteil, die Konsequenzen und darüber, was noch getan werden muss.
n-tv.de: Herr Sonnenberger, das Urteil war nach der Entscheidung aus Straßburg im Dezember 2009 absehbar. Sind sie zufrieden?
Rainer Sonnenberger: Es ist zunächst einmal schön, dass man sieht, dass es Fortschritte hin zu einer gemeinsamen Elternschaft gibt. Das ist aber zunächst nur eine Minimallösung. Das Bundesverfassungsgericht ist genau so weit gegangen, dass die deutsche Rechtsprechung mit der europäischen Rechtsprechung wieder im Einklang steht. Und das ist rechtlich schlüssig, aber vom Familien-Standpunkt aus noch nicht in Ordnung - da muss der Gesetzgeber jetzt handeln, damit wir auf einen modernen Stand kommen, auf dem viele andere Länder schon sind. Man darf auf diesem Zwischenstand nicht stehenbleiben, sondern muss noch ein Stück weiter gehen.
Welches Problem besteht bei dieser Minimallösung?
Wir haben jetzt nach dem Urteil folgende Situation: Ein Vater, der mit der Mutter nicht verheiratet ist, muss im Zweifelsfall auf das gemeinsame Sorgerecht klagen. Und da kommt er in eine vollkommen absurde Lage; er muss nämlich in einem Gerichtsstreit gegen die Mutter des gemeinsamen Kindes nachweisen, dass er mit ihr harmonieren und kooperieren kann. Und das geht nicht. Man kann nur positiv in so eine Verhandlung gehen.
Was wäre also der Schritt, der noch getan werden muss?

"Hoffen, dass das Thema nicht im Streit untergeht": Rainer Sonnenberger.
(Foto: privat)
Wir wollen, dass Väter und Mütter grundsätzlich zunächst einmal ein gemeinsames Sorgerecht zugesprochen bekommen. Erst dann, wenn das nicht funktioniert, müssen die Gerichte etwas tun. Oder vielleicht muss es gar nicht vor Gericht kommen, wenn man den Eltern anderweitig helfen kann. Das müsste man sehen, wie genau man das macht. Aber wichtig ist: Die Väter gehören von Anfang an dazu. Und erst, wenn es Schwierigkeiten gibt, muss etwas anderes passieren. Das ist die so genannte Widerspruchslösung. Das wurde vor kurzem in den Medien auch diskutiert, und sollte jetzt umgesetzt werden.
Wie sieht es mit Zahlen aus – von welchen Größenordnungen reden wir?
Es gibt eine Untersuchung vom Bundesjustizministerium. Insgesamt gibt es pro Jahr rund 220.000 Kinder, die nicht-ehelich geboren werden. In weniger als der Hälfte wird die gemeinsame elterliche Sorge erklärt. Das heißt, wir haben etwas über 100.000 Kinder, die nur von einem Elternteil erzogen werden. Und da könnte sich jetzt eine ganze Menge tun.
Gibt es Länder, in denen die Sorgerechts-Regelung so ist, wie sie in Deutschland bisher war?
Recht wenige. In der Schweiz zum Beispiel, aber die arbeiten an einer Reform. Auch in Österreich und in Norwegen besteht diese veraltete Regelung. In England gab es bisher die Antragsregelung, die wir nun haben: Papa kann durch einen Antrag das gemeinsame Sorgerecht erwirken. Das hat denen aber so viel Ärger gemacht, dass sie vor Kurzem auf die Widerspruchslösung übergegangen sind: Auch nichteheliche Väter bekommen dort die gemeinsame Sorge ab Geburt.
Wie optimistisch sind Sie, dass wir in Deutschland so weit kommen?
Die Diskussion geht in die richtige Richtung. Man muss jetzt genau beobachten, wie diese Regelung ausgestaltet wird. Aber wir sind auf einem guten Wege, ich hoffe auch sehr, dass sich die Koalition auf etwas Vernünftiges einigt, und dass das Thema nicht im Streit untergeht. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass jetzt erst einmal nichts passiert, und wir dann mit dieser unbefriedigenden Minimallösung leben müssen. Aber ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Ich hoffe, dass wir im September etwas auf dem Tisch haben, das dann durch den Bundestag geht, und womit wir dann alle zufrieden sind.
Quelle: ntv.de, mit Rainer Sonnenberger sprach Fabian Maysenhölder