Politik

Lobbyist liest mit Wie Bahr den Klau bemerkte

Lobbyisten sind bestens über das informiert, was in Bahrs Haus geplant ist.

Lobbyisten sind bestens über das informiert, was in Bahrs Haus geplant ist.

(Foto: REUTERS)

Es passiert immer wieder: Gesundheitsminister Bahr findet regelmäßig Informationen aus seinem Haus in der Presse, die er selbst noch nicht kennt. Als sich der Verdacht auf eine Person fokussiert, schaltet er die Behörden ein. Die Apotheker, in deren Auftrag gespitzelt worden sein soll, sind in der Defensive.

Das Bundesgesundheitsministerium steckt im womöglich größten Lobby-Skandal der Geschichte: Aus dem Bundesgesundheitsministerium wurden offenbar jahrelang geheime Unterlagen entwendet. Minister Daniel Bahr drängt auf schnelle Aufklärung. "Es ist der Verdacht auf Bestechung und Diebstahl", sagte der FDP-Politiker. "Insofern ist es keine Lappalie." Es sei gut, dass die Staatsanwaltschaft zügig ermittle. Wichtig sei eine schnelle Aufklärung darüber, wer sich zu welchem Zweck schuldig gemacht habe. "Das ist ein Unding. Wenn sich das bestätigt, ist es auch eine ganz große Sauerei."

Weiter erklärte Bahr, wie er und sein Haus dem Datendiebstahl auf die Spur gekommen sind. Er habe sich gewundert, dass bei der Gesetzgebung im Arzneimittelbereich immer wieder Texte in der Öffentlichkeit bekannt gewesen seien, bevor er selbst sie gesehen habe. Nach rund zwei Jahren habe er Anfang September einen konkreten Hinweis erhalten und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Am 11. September sei Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt worden, am 20. November habe es im Ministerium eine Durchsuchung bei einem externen Beschäftigten eines IT-Dienstleisters und einem zweiten Verdächtigen gegeben. Ein Lobbyist aus dem Umfeld der Apothekerschaft steht im Verdacht, am Kauf der Informationen beteiligt gewesen zu sein.

Mails von ihm oder seinem Vorgänger Philipp Rösler seien seines Wissens nach nicht ausgespäht worden, sagte Bahr. Seine Entscheidungen seien unbeeinflusst geblieben. "Ich sehe keinen Schaden für die Gesetzesarbeit des Bundesgesundheitsministeriums." Laut "Süddeutscher Zeitung" sollen jedoch auch E-Mails aus der Leitungsebene betroffen sein - also Nachrichten, die von Staatssekretären, Bahr und Rösler stammten.

Intern soll es nach Bekanntwerden der Affäre im Minsterium ordentlich gekracht haben. In der "Bild"-Zeitung wurde Bahr zitiert: "Ich bin stinksauer über diese kriminelle Energie. Das muss die Staatsanwaltschaft schnell aufklären." Im Ministerium hieß es dem Blatt zufolge: "Der Minister hat getobt über den Vorfall". Er zeige dafür keinerlei Toleranz.

Apotheker gegen "Generalverdacht"

Die Apotheker sehen sich in der Affäre jetzt zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Es war nie und es wird nie Politik unseres Hauses sein, die Interessen der deutschen Apothekerschaft per Scheckbuch zu vertreten. Wir lehnen eine auf solche Weise erfolgte Informationsbeschaffung strikt ab und distanzieren uns davon ausdrücklich", heißt es in einer Stellungnahme der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA. "Wir sehen mit Sorge, dass ein ganzer Berufsstand unter Generalverdacht gerät."

Deshalb verfolge die ABDA die Berichterstattung über den Fall "mit großer Bestürzung". "Uns ist nicht bekannt, gegen wen sich die Ermittlungen richten", heißt es weiter in der Stellungnahme. Man gehe deshalb "davon aus, dass sich der bestehende Verdacht nur gegen Einzelne richten kann".

Der FDP-Gesundheitsexperte Erwin Lotter forderte die Verbandsfunktionäre der Apotheker auf, "mit allen Kräften die Staatsanwaltschaft bei der umfassenden Aufklärung dieses ungeheuerlichen Lobby-Skandals zu unterstützen". Die Apotheker seien "in der Bringschuld". Ähnlich äußerte sich der Gesundheitsexperte Jens Spahn. Aggressives Lobbying im Gesundheitswesen sei man gewöhnt, sagte der CDU-Politiker. "Aber bezahlte Spionage wäre eine neue Qualität." Aufzuklären sei, "ob das die Tat Einzelner war". Dabei müssten auch die Verbände mitwirken.

Quelle: ntv.de, ghö/rts

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