Verhandlungen mit Atomkraft-Betreibern Spitzentreffen im Kanzleramt
12.01.2010, 21:56 UhrIn der Debatte um die Zukunft der Atomkraft lädt Kanzleramtsminister Pofalla zu einem hochrangigen Treffen. Am 21. Januar will er mit den Vorständen der vier großen Stromversorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall sprechen.
Die Bundesregierung will mit den Stromkonzernen Verhandlungen über die Zukunft der Atomkraft aufnehmen. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hat für den 21. Januar Vorstände der Versorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall zu einem Treffen eingeladen. Geladen sind für das erste solche Treffen unter der neuen Regierung auch die Staatssekretäre aus Wirtschafts- und Umweltministerium, Jochen Homann und Jürgen Becker, wie aus Branchen- und Regierungskreisen verlautete.
Im Mittelpunkt wird das Drängen der Industrie auf zügige Entscheidungen über die grundsätzlich in Aussicht gestellten Laufzeitverlängerungen stehen. Union und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einer Verlängerung der bisher vorgesehenen Kraftwerks-Laufzeiten bereiterklärt. Der Vertrag lässt Details und Zeitplan weitgehend offen. Zunächst soll bis Oktober ein Energiekonzept erarbeitet werden. In Kreisen des Kanzleramts hieß es, bei dem Treffen könnten Einzelfragen besprochen werden, das Thema einer Laufzeitverlängerung insgesamt würde aber in einem anderen Rahmen erörtert.
Der Großteil der Extra-Milliardengewinne der Stromkonzerne aus längeren Laufzeiten will der Staat abschöpfen und in den Ausbau von Energie aus Sonne, Wasser und Wind stecken. Rechtlich ist das kompliziert. Experten der Regierung wollen drei Varianten prüfen: einen Fonds, eine Stiftung und eine Sondersteuer.
Bei dem Treffen im Kanzleramt soll über Sicherheitsanforderungen beim Betrieb der Atommeiler beraten werden. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass längere Laufzeiten an die "Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards" geknüpft sein werden. Zudem geht es um die Übertragung von Strommengen, um ältere Reaktoren möglichst länger laufen zu lassen.
Wohin mit dem Müll?
Auf der Tagesordnung am 21. Januar steht auch die Frage, wo der gefährliche Atommüll gelagert wird. Union und FDP haben festgelegt, dass das niedersächsische Gorleben weiter als Endlager-Standort geprüft wird. Die Endlager Asse II und Morsleben sollen geschlossen werden. Im Streit um das marode niedersächsische Atommülllager Asse will das Bundesamt für Strahlenschutz am Freitag sein Konzept vorlegen.
Entscheidung über Asse
Bei der Lagerstätte Asse steht die Rückholung der radioaktiven Abfälle, die Verfüllung der Stollen oder die Umlagerung der Müllfässer in tiefere Schichten des alten Salzbergwerks zur Debatte. In der Schachtanlage lagern rund 126.000 Fässer mit leicht- und mittelradioaktivem Atommüll. Die Grube gilt als einsturzgefährdet, täglich sickert Wasser von außen ein. Ein Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages versucht, die teils Jahrzehnte zurückliegenden Missstände in der Asse bei Wolfenbüttel aufzuklären.
Röttgen gegen Klärung von Einzelfragen
In den Verhandlungen über die Zukunft der Atomkraft fordern die vier Stromkonzerne von der Regierung rasche Entscheidungen und Planungssicherheit. Die Zeit drängt. Nach geltendem Atomgesetz müssten noch in diesem Jahr die Meiler Biblis A in Hessen und Neckarwestheim 1 in Baden-Württemberg vom Netz gehen. Derzeit produzieren noch 17 Kraftwerke Atomstrom. Der Atom-Ausstieg war im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit der Atomindustrie vereinbart worden.
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte bisher wiederholt betont, dass vor Vorlage des Energiekonzepts keine Einzelfragen angegangen werden sollten. Schon während der Koalitionsverhandlungen hatte es geheißen, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das umstrittene Thema Laufzeiten nicht vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai angehen wolle. Dies wiederum hatte nach Angaben aus Parteikreisen Verärgerung bei Energiepolitikern der Koalition und vor allem bei der CDU in Baden-Württemberg ausgelöst. Dort steht nicht nur der Reaktor Neckarwestheim I, sondern es stehen auch die nächsten Landtagswahlen Anfang 2011 an. Sowohl Kanzleramtsminister Pofalla als auch Umweltminister Röttgen gehören dem NRW-Landesverband an.
Quelle: ntv.de, dpa/rts