Politik

Alle Fragen öffentlich Springer wieder in der Offensive

Normalität im Schloss Bellevue: Kanzlerin Merkel am Donnerstag beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. In der Mitte Wulffs Frau Bettina.

Normalität im Schloss Bellevue: Kanzlerin Merkel am Donnerstag beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. In der Mitte Wulffs Frau Bettina.

(Foto: dpa)

Zwei Springer-Zeitungen warten nicht darauf, dass Bundespräsident Wulff ihre Fragen und seine Antworten freigibt - sie veröffentlichen sie selbst. Zur Begründung erklären die Blätter, man habe sich entschieden, "von ihrem Recht am eigenen Wort Gebrauch zu machen". Unterdessen gibt es neue Vorwürfe gegen Wulff. Sie betreffen ein Upgrade aus dem Jahr 2007.

Im Streit um die Offenlegung von Medienanfragen an Bundespräsident Christian Wulff sind erste Zeitungen mit umfangreichen Veröffentlichungen vorgeprescht. Die Springer-Blätter "Welt" und "Welt am Sonntag" stellten ihren Fragenkatalog sowie die Antworten von Wulffs Anwälten und der BW-Bank ins Netz. Bei der BW-Bank hatte Wulff zunächst ein "rollierendes Geldmarktdarlehen", Ende 2011 dann einen langfristiges Kreditvertrag abgeschlossen.

Zur Begründung erklärten die Zeitungen, die "Welt"-Gruppe habe sich entschieden, "von ihrem Recht am eigenen Wort Gebrauch zu machen". Zudem habe Wulffs Anwalt Gernot Lehr am 23. Dezember zwei E-Mails von einem "Welt"-Mitarbeiter an die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" weitergegeben.

Gegenüber der FAS sprach Lehr mit Blick auf die Weiterleitung der Fragen von einem "bedauerlichen Versehen". Das Vorgehen sei nicht mit dem Bundespräsidenten abgestimmt gewesen. Die "Welt" schreibt indessen unter Berufung auf "Redaktionskreise", die Übersendung der Mail sei der FAS "vorher wiederholt angekündigt worden".

Fragen enthalten angeblich "Gerüchte"

Der frühere CDU-Generalsekretär Peter Hintze äußerte im ZDF Verständnis dafür, dass die Medienanfragen an Wulff nicht detailliert veröffentlicht würden. Unter den 400 Fragen seien mehr als 200, die den privatesten Bereich beträfen. Dabei gehe es unter anderem um Wulffs Mutter, seine Ehefrau, seine Schwester und seine Tochter. Mehr als 200 der Fragen seien mit "herabsetzenden, ehrverletzenden, beleidigenden, diffamierenden und Gerüchte stiftenden Sachverhalten" verbunden, sagte Hintze. Er gehe davon aus, dass die Politiker aus der Union, die Wulff jetzt zur vollständigen Offenlegung aufforderten, nichts über den Charakter der Fragen wüssten.

Allerdings hatte Wulff selbst in der vergangenen Woche in seinem ARD/ZDF-Interview gesagt: "Ich gebe Ihnen gern auf die 400 Fragen 400 Antworten." Man müsse die Transparenz weiter treiben, was auch neue Maßstäbe setze. "Morgen früh werden meine Anwälte alles ins Internet einstellen. Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger, jedes Detail zu den Abläufen sehen".

Wulff steht wegen eines Privatkredits für sein Eigenheim, wegen der Folgefinanzierung sowie kostenloser Urlaube bei Freunden aus der Wirtschaft in der Kritik. Vor allem aber sein Umgang mit den Medien und Widersprüche bei seinen öffentlichen Erklärungen sorgen für Unmut bei der Opposition, zunehmend jedoch auch bei Union und FDP. In der kommenden Woche kommt der Bundestag zum ersten Mal in diesem Jahr zusammen - dann dürfte deutlicher werden, wie die Stimmung in den Fraktionen ist.

"Debatte geht natürlich weiter"

Spekulationen über mögliche Nachfolger wies Unionsfraktionschef Volker Kauder in den "Kieler Nachrichten" zurück: "Das ist Quatsch, der sich nicht toppen lässt." Kauder sagte: "Der Bundespräsident genießt mein Vertrauen. Es kann keine Rede davon sein, dass die Stimmung in der Fraktion kippt." Wulff habe das Notwendige gesagt. "Das sollte jetzt akzeptiert werden." In den CDU-Landesverbänden stößt das Krisenmanagement Wulffs jedoch zunehmend auf Unverständnis.

Der Fraktionsgeschäftsführer von CDU und CSU, Peter Altmaier, sagte hingegen dem "Hamburger Abendblatt", es müsse das Ziel sein, dass Wulff seine Amtsgeschäfte unbelastet bis zum Ende seiner Amtsperiode verrichten könne. Wulff war Mitte 2010 für zunächst fünf Jahre gewählt worden. Altmaier rechnet aber nicht mit einem schnellen Ende der Wulff-Debatte. Schließlich dürften in einer freiheitlichen Demokratie fast alle Fragen gestellt werden. "Solange die Öffentlichkeit der Auffassung ist, dass nicht alle Fragen beantwortet sind, geht die Debatte natürlich weiter."

Antworten weitgehend bekannt

Die nun auf "Welt Online" veröffentlichte umfangreiche Abhandlung enthält weitgehend bekannte Angaben über das Zustandekommen von Wulffs Privatkredit bei der Unternehmergattin Edith Geerkens. Bei ihr hatte Wulff 2008, als er noch Ministerpräsident war, 500.000 Euro geliehen und den Privatkredit später mit Hilfe der BW-Bank abgelöst. Auf die Frage, was der Präsident über die Herkunft des Geldes von Geerkens wisse, antworte Anwalt Lehr der "Welt" zufolge: "Herr Wulff wusste, dass Frau Edith Geerkens vermögend ist."

Viele Fragen und Antworten drehen sich auch um die Ablösung des Privatdarlehens durch "ein rollierendes Geldmarktdarlehen" bei der BW-Bank 2010 zu günstigeren Zinsen sowie die Umwandlung in ein langfristiges Darlehen Ende 2011. Wulffs Anwälte wie auch die Bank widersprachen Vorhaltungen, bei den Finanzgeschäften sei Wulff in den Genuss außergewöhnlicher günstiger Konditionen gekommen. Auch diese Details wurden bereits in Medien erörtert.

Andere Zeitungen, darunter die "Berliner Zeitung", die "Frankfurter Rundschau", die "Financial Times Deutschland" und die "Bild"-Zeitung, entbanden Wulffs Anwalt von der Pflicht, ihre Rechercheergebnisse zu schützen - Fragen und Antworten zur Affäre könnten nun von ihm veröffentlicht werden.

Und wieder ein Upgrade

Die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag fordert unterdessen Aufklärung zu einer Urlaubsreise von Wulff in die USA im April 2007, wie die "Bild"-Zeitung berichtet. Danach sollen der damalige niedersächsische Ministerpräsident, seine heutige Ehefrau Bettina und deren Sohn während des Fluges von Miami nach Frankfurt ein Upgrade von der Economy-Class in die Business-Class erhalten haben.

Laut einer Emnid-Umfrage glaubt die knappe Mehrheit der Bundesbürger, dass die Medien den Bundespräsidenten ungerecht behandeln. Demnach beklagen 53 Prozent der Befragten einen "unfairen" Umgang mit Christian Wulff, 42 Prozent halten die Berichterstattung in der Affäre Wulff demnach für "fair".

Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP/rts

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