"Der Präsident ist nicht zu erreichen" Staaten ermahnen Syrien
11.06.2011, 13:16 Uhr
Syrien macht mobil gegen die eigenen Leute.
(Foto: AP)
Während der Sicherheitsrat über eine Resolution gegen Syrien debattiert, warnt der syrische Außenminister die Vereinten Nationen vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten. UN-Generalsekretär Ban holt sich eine brüske Abfuhr, als er mit Präsident Assad wegen der brutalen Militäreinsatz telefonieren will.
Die internationale Gemeinschaft hat die syrische Führung erneut zu einem Ende der Gewalt gegen Demonstranten gedrängt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte "inakzeptabel". In einer Mitteilung der Vereinten Nationen hieß es weiter, Ban sei tief besorgt über die Gewalt in Syrien. Er rief das Regime zu wirklichen Reformen auf.
Die USA verurteilen den "abscheulichen Einsatz von Gewalt" in Syrien scharf und verlangen ein sofortiges Ende der Brutalität. In einer Erklärung des Weißen Hauses hieß es weiter, dass es diese Art von "entsetzlicher Gewalt" sei, die die USA zur Unterstützung einer Resolution gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad im UN-Sicherheitsrat führen. Die syrische Regierung führe das Land "auf einen gefährlichen Pfad", sagte US-Regierungssprecher Jay Carney. US-Verteidigungsminister Robert Gates sprach von einem "Massaker an unschuldigem Leben". Alle Staaten müssten sich fragen, ob Assad noch zur Führung des Landes legitimiert sei.
Sicherheitsrat berät über Syrien

Ein Offizier der syrischen Anti-Terror-Einheit zeigt seine kugelsichere Weste.
(Foto: AP)
Die Debatte über den Entwurf, die am Freitag begonnen hatte, soll am Wochenende fortgesetzt werden. Der Entwurf ist von den vier EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal eingebracht worden. Der Text sieht zwar eine Verurteilung der Gewalt, aber keine Sanktionen vor. Dabei ist auch die Rede von mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die syrischen Sicherheitskräfte. Russland und China haben bereits angedeutet, die Resolution notfalls mit einem Veto zu stoppen. Auch Libanon, Indien, Brasilien und Südafrika erklärten, dass sie mit dem Text nicht einverstanden seien. Nach Einschätzung von Diplomaten dürfte der Entwurf nächste Woche zur Abstimmung gebracht werden.
Syrien warnte die Vereinten Nationen vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheit des Landes. Die Annahme einer kritischen Resolution durch den UN-Sicherheitsrat würde die Situation im Land nur verschärfen, weil dann "Extremisten und Terroristen" ermuntert würden, Syrien weiter zu destabilisieren, schrieb der syrische Außenminister Walid al-Mualam in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban. "Es ist wichtig, dass sich der Sicherheitsrat nicht in die inneren Angelegenheiten von Syrien einmischt, einem Gründungsmitglied der Vereinten Nationen."
Der Außenminister zeigte in dem Brief kein Zeichen der Reue über die Niederschlagung der Proteste, bei denen nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit März 1100 Menschen getötet wurden. Stattdessen sprach er von "mörderischen und zerstörischen Banden", die das Land ins Chaos stürzen wollten.
Assad will nicht mit Ban sprechen
Nach Angaben von Bans Sprecher Martin Nesirky weigert sich Assad inzwischen, weiter mit dem UN-Generalsekretär zu telefonieren. Ban habe Assad am Donnerstag angerufen, doch ihm sei gesagt worden, Syriens Staatschef sei nicht zu sprechen. Ban und Assad hatten seit dem Beginn der Oppositions-Proteste in Syrien im März drei Telefonate geführt, bei denen sie sich heftig stritten. Während eines Gesprächs hatte Assad Ban versprochen, UN-Menschenrechtsermittler ins Land zu lassen. Das Versprechen wurde bislang nicht eingehalten.
Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, der sich in der Vergangenheit oft als "Freund" Syriens darstellte, warf seinem Nachbarn "Gräueltaten" an Zivilisten vor. Die syrischen Behörden verhielten sich "leider nicht menschlich", sagte der türkische Ministerpräsident wenige Tage nach einem Gespräch mit Assad. Die Führung in Damaskus unterschätze die Lage, sagte Erdogan.
Militär geht brutal vor
Nach Angaben von Einwohnern ist die Armee weiter auf die Stadt Dschisrasch Schugur im Nordwesten des Landes vorgerückt. Die Truppen hätten Stellung vor der Stadt bezogen, seien aber nicht in sie einmarschiert. Viele Einwohner seien zur nahe gelegenen türkischen Grenze unterwegs.
Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei erhöhte sich unterdessen auf etwa 4300. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf örtliche Behörden meldete, wurden die Flüchtlinge, die größtenteils aus Dschisrasch Schugur stammten, in drei Zeltdörfern in der Provinz Hatay an der Grenze zu Syrien untergebracht.
Das syrische Fernsehen berichtete, die Armee habe "Verantwortliche der bewaffneten Gruppen in Dschisrasch Schugur" festgenommen, die "Gräueltaten" verübt hätten. Bereits am Freitag hatte die Regierung angekündigt, dass sie als Reaktion auf einen "Hilferuf der Bevölkerung" einen Militäreinsatz in dem Gebiet gestartet habe.
Die Region um Dschisrasch Schugur in der nordwestlichen Provinz Idlib steht seit Tagen im Zentrum des Konflikts zwischen syrischen Sicherheitskräften und regierungskritischen Demonstranten. Nach Angaben von Zeugen und Menschenrechtsaktivisten starben allein am Freitag elf Zivilisten, als Soldaten in Maaret el Numan nahe Dschisrasch Schugur in eine große Protestkundgebung schossen.
Dort ging das Militär auch aus der Luft vor. Die Armee feuerte aus Kampfhubschraubern auf Zehntausende Demonstranten. Mindestens fünf Hubschrauber hätten das Feuer aus automatischen Waffen eröffnet, um eine Protestkundgebung am Freitag aufzulösen, berichtete ein Augenzeuge über Telefon. "Die Menschen flohen in Felder, unter Brücken und in ihre Häuser, aber obwohl die Straßen dann fast menschenleer waren, dauerte der Beschuss noch Stunden an." Es sind die ersten Berichte über einen Lufteinsatz gegen die Regierungsgegner, die aus Syrien nach außen drangen.
Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht zu überprüfen. Syrien unterbindet die Berichterstattung ausländischer Journalisten.
Am Freitag war es trotz des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte wieder in zahlreichen Städten zu Protesten gegen Präsident Baschar al-Assad gekommen. Die Demonstranten fordern den Rücktritt Assads und mehr Demokratie.
Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa