Politik

Schwarz-Gelb verliert Sitz im Bundestag Staatsanwalt ermittelt gegen Guttenberg

Guttenberg wird sich Fragen der Staatsanwaltschaft stellen müssen.

Guttenberg wird sich Fragen der Staatsanwaltschaft stellen müssen.

(Foto: dpa)

Der zurückgetretene Verteidigungsminister Guttenberg verzichtet auf sein Bundestagsmandat. Damit macht er den Weg für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft frei. Zugleich verliert die schwarz-gelbe Koalition einen Sitz. Der Streit um Guttenbergs Rückzug geht weiter: Seehofer attackiert die CDU, die FDP lästert über Guttenbergs Hinterlassenschaft.

Nach dem Mandatsverzicht von Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Staatsanwaltschaft Hof angekündigt, ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen der Plagiatsvorwürfe gegen den zurückgetretenen Verteidigungsminister aufzunehmen. "Das wird eingeleitet, da gibt es kein Wenn und kein Aber", sagte Oberstaatsanwalt Reiner Laib. Die Dauer der Ermittlungen seien derzeit schwer vorherzusagen. "Die Vorermittlungen sind natürlich relativ weit fortgeschritten", betonte Laib. Guttenbergs parlamentarische Immunität als Abgeordneter muss durch seinen Verzicht nicht mehr aufgehoben werden.

Auf Wiedersehen? Bundespräsident Wulff dankt Guttenberg für seine Dienste. Nachfolger de Maizière schaut zu.

Auf Wiedersehen? Bundespräsident Wulff dankt Guttenberg für seine Dienste. Nachfolger de Maizière schaut zu.

(Foto: dapd)

Mit dem Ausscheiden Guttenbergs verliert die schwarz-gelbe Koalition einen Sitz. Denn anders als dies sonst bei Abgabe eines Bundestagsmandats meist der Fall ist, wird es für Guttenberg keinen Nachrücker geben. Das liegt daran, dass Direktmandate dann nicht neu besetzt werden, wenn die Partei im betreffenden Bundesland sogenannte Überhangmandate besitzt - von denen die CSU in Bayern drei innehat. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate durch Erststimmen erzielt, als ihr dort entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustünden.

Kulmbach ohne Abgeordneten

An den klaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament wird dies aber nichts ändern. Union und FDP verfügen jetzt immer noch über 331 der nunmehr 621 Stimmen, die absolute Mehrheit liegt bei 311 Stimmen.

Die neuen und der alte: Innenminister Friedrich, Verteidigungsminister de Maizière und sein Vorgänger Guttenberg im Schloss Bellevue.

Die neuen und der alte: Innenminister Friedrich, Verteidigungsminister de Maizière und sein Vorgänger Guttenberg im Schloss Bellevue.

(Foto: REUTERS)

Das Nachsehen haben nun die Bürger in Guttenbergs Wahlkreis Kulmbach: Sie haben keinen Abgeordneten mehr, der als Wahlkreisvertreter ihre Interessen wahrnimmt. Denn der zurückgetretene Minister, der 2009 in seinem Heimat-Kreis mit 68,1 Prozent bundesweit das beste aller Direktkandidaten-Ergebnisse einfuhr, ist der einzige Volksvertreter für Kulmbach und Umgebung. Auch das ist eine Besonderheit: Vielerorts gibt es neben den direkt gewählten Volksvertretern nämlich auch solche, die über die Landesliste den Sprung in den Bundestag geschafft haben - und dort dann ebenfalls ihren Wahlkreis repräsentieren.

Wulff entlässt Guttenberg

Zwei Tage nach dem Rücktritt von Guttenberg hat sein Nachfolger Thomas de Maizière die Arbeit als Verteidigungsminister aufgenommen. Bundespräsident Christian Wulff überreichte dem bisherigen Innenminister und dessen Nachfolger Hans-Peter Friedrich im Schloss Bellevue die Ernennungsurkunden. Im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel erhielt Guttenberg von Wulff zugleich die Entlassungsurkunde.

"Das war nicht solidarisch": Seehofer sieht noch einigen Klärungsbedarf mit der CDU.

"Das war nicht solidarisch": Seehofer sieht noch einigen Klärungsbedarf mit der CDU.

(Foto: dpa)

Bei der Ernennungszeremonie wünschte Wulff de Maizière und Friedrich viel Erfolg. Der Bundespräsident drückte Guttenberg Dank und Anerkennung aus und wünschte ihm "neuen Erfolg". "Ich danke Ihnen für Ihren überaus engagierten Einsatz für unser Land und zolle Ihnen ausdrücklich Respekt." Im Verteidigungsministerium war im Anschluss die Amtsübergabe an de Maizère mit militärischen Ehren geplant.

Der neue Innenminister Friedrich musste sich bereits an seinem ersten Arbeitstag mit einem Kernthema seines Ressorts befassen, der inneren Sicherheit: Die Bundesanwaltschaft ermittelt nach dem Frankfurter Anschlag auf US-Soldaten wegen des Verdachts auf eine "islamistisch motivierte Tat". Ein 21 Jahre alter Kosovare hatte am Mittwoch am Frankfurter Flughafen an einem Militärbus zwei US-Soldaten erschossen. Eine Anhebung der bundesweiten Sicherheitsstufe hält Friedrich aber nicht für notwendig.

Seehofer attackiert CDU-Politiker

Wegen des Umgangs mit Guttenberg bahnt sich in der Union neuer Ärger an. CSU-Chef Horst Seehofer warf Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundesbildungsministerin Annette Schavan in scharfem Ton vor, Guttenberg in den Rücken gefallen zu sein. Der bayerische Ministerpräsident bezog sich in der "Bild"-Zeitung auf ein nicht dementiertes Zitat Lammerts, der die Plagiatsaffäre als "Sargnagel" für das Vertrauen in die Demokratie" bezeichnet haben soll. Die Merkel-Vertraute Schavan hatte in einem Interview gesagt, sie schäme sich als Wissenschaftlerin "nicht nur heimlich" für Guttenberg.

"Die Äußerungen von Frau Schavan und Herrn Lammert waren nicht in Ordnung", sagte Seehofer nun. "Das war nicht solidarisch. Zum Selbstverständnis der Union sollte gehören, dass man den eigenen Leuten beisteht, ihnen nicht öffentlich in den Rücken fällt." Darüber werde noch zu reden sein - "ich habe mir das auf Wiedervorlage gelegt". Auch aus der CSU-Landesgruppe in Berlin hieß es, die Verärgerung über Lammert und Schavan sei sehr groß gewesen.

Reform steht noch an

Die FDP warf Guttenberg vor, er hinterlasse dem neuen Verteidigungsminister schwierige Aufgaben. "Ich werfe Herrn zu Guttenberg jetzt keine Steine nach. Richtig ist aber, dass das Wesentliche noch zu tun ist", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner im Deutschlandfunk. Guttenberg hatte am Dienstag erklärt, er habe "ein weitgehend bestelltes Haus" hinterlassen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte die Bundesregierung auf, die geplante Bundeswehrreform nach dem Ministerwechsel zu verschieben. Wenn de Maizière mehr Zeit brauche, werde die SPD dies unterstützen, sagte er dem NDR. Vor allem müsse geklärt werden, wie die Bundeswehr freiwillige Soldaten rekrutieren wolle. Dazu bräuchten interessierte Frauen und Männer eine klare Berufsperspektive.

Nach Ansicht des Skandalforschers Hans Mathias Kepplinger von der Uni Mainz hat der Sturz Guttenbergs in der Reihe der politischen Skandale in Deutschland eine ganz neue Dimension. "Bislang drehten sich fast alle politischen Skandale um Geld und geldwerte Vorteile, zweites Thema waren das Dritte Reich und Antisemitismus", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Bei Guttenberg geht es erstmals um die Ehre", erläuterte der Professor. Hinzu komme, dass die Medien diesmal nicht die Meinung der Mehrheit geprägt hätten - bis zuletzt sei Guttenberg beliebt gewesen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP/rts

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