Birthler bleibt hart Stasi-Aktenstreit in nächster Instanz
03.08.2001, 00:05 UhrIm Streit um die Herausgabe von Stasi-Akten über Prominente geht die Bundesbeauftragte Marianne Birthler erneut auf Konfrontationskurs mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Sie werde trotz des Risikos von Betroffenen-Klagen weiter Akten herausgeben.
Den Bundestag bat sie um eine schnellstmögliche Klarstellung. Es könne nicht abgewartet werden, bis das Bundesverwaltungsgericht ein höchstrichterliches Urteil zu den Akten von Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) getroffen habe.
Birthler hatte zuvor eine direkte Anrufung des Bundesgerichts beantragt, um das Verfahren zu verkürzen. Kohls Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner erklärte, sein Mandant sei mit der so genannten Sprungrevision einverstanden.
Das Berliner Oberverwaltungsgericht hatte Anfang Juli einer Klage Kohls gegen die Veröffentlichung seiner Stasi-Akten stattgegeben. In dem Rechtsstreit hatten die Berliner Richter erstmals über die Frage entschieden, ob Stasi-Akten über westdeutsche Politiker von der Stasi-Unterlagenbehörde herausgegeben werden dürfen.
Kohls Anwälte hatten argumentiert, die Akten etwa über Telefongespräche seien von der Stasi unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze angelegt worden.
Das Gericht gab mit dem Urteil dem Opferschutz Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der Aufklärung der Stasi-Arbeit. Die zehnjährige Praxis der Stasi-Unterlagenbehörde wird damit als unrechtmäßig eingestuft.
Dagegen hatte Birthler erklärt, die jahrelange Praxis der Aktenherausgabe sei bedeutsam für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das Amt hatte seit seiner Gründung 1991 Akten über Prominente herausgegeben, so weit sie nicht die Privatsphäre der Betroffenen verletzten. Kohl hatte als Chef des Bundeskabinetts jahrelang selbst die Rechtsaufsicht über die Behörde.
In der Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter der 1. Kammer, Volker Markwort, gesagt: "Es kommt nicht darauf an, wie die Praxis bislang war, sondern wie sie sein muss." Die fast zehnjährige Praxis der Stasi-Unterlagenbehörde bei der Aktenfreigabe sei für die Richter bei der Entscheidung in dem Rechtsstreit nicht maßgebend.
Kohl hatte im November unter Berufung auf den Opferschutz gegen die Herausgabe geklagt. Kohl argumentiert, die Daten seien illegal beschafft worden und dürften daher auch nicht verbreitet werden.
Im wesentlichen geht es um zusammengefasste Protokolle von Telefongesprächen, die von der Stasi abgehört wurden. Interesse an den Stasi-Akten Kohls hat bereits der Untersuchungs-Ausschuss des Bundestages zur CDU-Spendenaffäre angemeldet.
Mit Kohl hat erstmals ein prominenter Politiker gegen die Veröffentlichung der Akten geklagt. Im Zusammenhang mit der Spendenaffäre hatten mehrere Journalisten Einsicht in die Kohl-Akten beantragt, was letztendlich zu der Klage geführt hatte.
Quelle: ntv.de