Mehr Macht für Vertriebene Steinbach macht Koalition Druck
05.01.2010, 08:08 UhrBdV-Chefin Steinbach hatte einen Schritt gehen wollen, "um den gordischen Knoten aufzulösen". Doch im Streit um ihren Sitz in der Stiftung für Flucht, Vertreibung, Versöhnung scheint einfach kein Friede möglich zu sein. Zwar bietet Steinbach einen Verzicht an, doch ihre Bedingungen dafür sind kaum erfüllbar. Und so gerät vor allem der FDP-Vorsitzende Westerwelle in Zugzwang.
Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, kündigte an, endgültig auf einen persönlichen Sitz im Stiftungsrat verzichten zu wollen. Voraussetzung sei die Erfüllung von fünf Bedingungen, die der Bund der Vertriebenen (BdV) gestellt hat, sagte die 66-Jährige in Frankfurt am Main. So will sie den Einfluss ihres Verbandes ausweiten: Er soll mehr als die bisherigen drei Sitze im Rat bekommen - die Rede ist von insgesamt sechs. Bislang ist der BdV nur mit zwei Mitgliedern vertreten, weil der für Steinbach reservierte Sitz leer blieb.
Nach den Vorstellungen des BdV soll die Regierung außerdem ihr bisheriges Vetorecht bei der Besetzung des Stiftungsrates abgeben. Sehr weitgehend ist auch der BdV-Vorschlag, die Stiftung aus dem Dach des Deutschen Historischen Museums herauszulösen und als selbstständige Stiftung weiterzuführen. Damit solle die Einrichtung, die in Berlin eine Dauerausstellung zum Schicksal der Vertriebenen auf die Beine stellen soll, mehr Eigenständigkeit erlangen. Sollte der angebotene Kompromiss zustande kommen, sei ihre persönliche Präsenz in der Stiftung nicht mehr nötig. Auch später werde sie dann nicht nachrücken. "Das ist eine Sache der Ehre", sagte Steinbach. Steinbach stellte der Bundesregierung ein Ultimatum bis Ende Januar.
Demonstrativer Rückhalt
Insbesondere bei der CSU, die seit jeher an der Seite der Vertriebenen steht, wurde der neue BdV-Vorstoß mit Genugtuung aufgenommen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt freute sich über die "ausgestreckte Hand der Vertriebenen" und verband dies mit der Aufforderung an Westerwelle, diese Hand auch zu ergreifen. Auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) bekundete seine Sympathie: "Ich sehe jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, dass die Bundesregierung und der BdV am Ende zu einer gemeinsamen Position kommen können, wenn alle es wollen." Das war wohl auch eine Aufforderung an den liberalen Koalitionspartner.
FDP spielt auf Zeit
Doch die FDP machte bisher keinerlei Anstalten, sich dem Druck der Union zu beugen. Westerwelle sagte lediglich zu, den Forderungskatalog des Vertriebenen-Verbandes zu prüfen. Er ließ zudem Skepsis durchblicken. "Hier geht es darum, dass die Beziehungen zu unseren Nachbarländern nicht belastet werden, sondern sich vernünftig entwickeln können", sagte er. Mit der Ablehnung, die Steinbach in Polen erfährt, hat Westerwelle seit jeher sein Nein zu ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsrat begründet.
Bei den Liberalen wird auch darauf verwiesen, dass Steinbach eine "gewaltige Wunschliste" präsentiert habe, die so manchen Pferdefuß enthalte. So ist es für die FDP kaum vorstellbar, dass die Regierung jeden Einfluss auf die Besetzung des Stiftungsrates abgeben soll. Jetzt spielen die Liberalen erst einmal auf Zeit. Steinbachs Vorschlag werde die Koalition "in Ruhe" besprechen, kündigte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger an.
Kompromiss der kleinen Schritte
Selbst manch einer in der Union rechnet wegen der Vorbehalte der FDP nicht damit, dass der BdV seine Vorschläge vollständig durchsetzen wird. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), erinnerte daran, wie schwierig die Beratungen zu dem beschlossenen Gesetz innerhalb der großen Koalition gewesen seien. "Ich bin mir nicht sicher, ob wir bei Verhandlungen mit der FDP erfolgreicher wären als bei Verhandlungen mit der SPD", gibt Bosbach zu bedenken. Bosbach kann sich aber vorstellen, dass der BdV auch dann auf eine Entsendung verzichtet, wenn er seine Forderungen nur teilweise durchsetzt.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte die Bundesregierung auf, an dem noch von der großen Koalition verabschiedeten Stiftungsgesetz festzuhalten. Die Grünen- Fraktionschefin Renate Künast wies in der "Rheinischen Post" Steinbachs Vorschlag als "absolut inakzeptabel" zurück und forderte ein Machtwort Merkels.
Eine Lösung könnte sich hinziehen, schließlich steht die Koalition nicht unter Zeitdruck. Denn außer dem freigehaltenen BdV-Sitz sind längst alle Posten in dem Stiftungsrat besetzt - und dieser ist auch so beschlussfähig.
Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa