Suche nach Sachlichkeit Steinbrück bemüht sich
08.05.2009, 19:51 UhrNach den umstrittenen Äußerungen von Finanzminister Peer Steinbrück zu Steueroasen ist die Bundesregierung bemüht, die Wogen im In- und Ausland zu glätten. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die gesamte Bundesregierung sei sich einig in dem Ziel, dass es beim Thema Steuerhinterziehung zu weiteren Fortschritten kommen müsse. "Es gibt Defizite bei einer ganzen Reihe von Staaten", sagte er. Allerdings wolle die Bundesregierung die Bekämpfung der Steuerflucht ohne Irritationen bei den europäischen Nachbarn erreichen. Zuvor war bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Distanz zum Finanzminister gegangen. Am Freitag verteidigte sie aber den Versuch, die Steuerflucht zu bekämpfen, als "in der Sache völlig gerechtfertigt".Auch Steinbrück selbst versuchte, die Gescholtenen zu besänftigen.
Steinbrück hatte Luxemburg, Österreich und die Schweiz in eine Reihe mit Ouagadougou gestellt, der Hauptstadt des afrikanischen Burkina Faso. In den Ländern, vor allem in Luxemburg, hatte dies einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.
Es habe ihm fern gelegen, in "irgendeiner Art und Weise" bestimmte Länder miteinander zu vergleichen, ließ der Minister von einem Sprecher erklären. Mit der Nennung Ouagadougous habe Steinbrück nicht inhaltlich auf das Thema abgezielt, er habe damit sein Anliegen, nämlich die Einladung aller betreffenden Länder, überspitzt deutlich machen wollen, sagte der Ministeriumssprecher. Deutschland sei daran interessiert, mit allen Ländern, in denen dieses Problem auftauche, ins Gespräch zu kommen, um das "leidige Thema" Steuerhinterziehung zu lösen. "Es war eine zugespitzte Form, sicherlich auch ganz bewusst und nicht versehentlich zugespitzt", so Steinbrücks Sprecher.
Bereits am Donnerstagabend war die Kanzlerin auf Distanz zum Finanzminister gegangen. "Wenn es zu Irritationen gekommen ist, dann werde ich auch als Regierungschefin alles daran setzen, dass diese schnell beseitigt werden", sagte Merkel in Prag. "Deutschland will gute Beziehungen zu all seinen Nachbarn."
Merkel will schnelle Steuer-Neuregelung
Einen Tag später sagte sie in Berlin, der Versuch, die Steuerflucht zu bekämpfen, sei "in der Sache völlig gerechtfertigt". Leider sei über Jahre hinweg kein Thema gewesen, dass sich manche Staaten nicht an die internationalen Standards gehalten hätten. Auch Luxemburg habe sich erst vor kurzem dazu bekannt. "Nun heißt es verhandeln. Wir müssen das Problem lösen", betonte die Kanzlerin. "Und das wird ja möglich sein."
Rechtschaffende Afrikaner empört
Auch das westafrikanische Burkina Faso ist erbost. Ausgerechnet das "Land der rechtschaffenen Menschen" musste sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Steuerparadies zu sein – denn der Name hat in den dort gesprochenen Sprachen Moor und Bambara hat genau diese Bedeutung. In der Region gelten die Burkiner als fleißige und ehrliche Arbeiter. Die Finanzbürgermeisterin der Hauptstadt Ouagadougou räumte zwar ein, dass bei der Steuereintreibung nicht korrekt vorgegangen werde. Aber von einem Land, das auf dem UN-Entwicklungsindex HDI auf dem 176. und damit vorletzten Platz rangiere, könne keine perfekte Finanzverwaltung erwartet werden, sagte Minata Oudraogo der "Berliner Zeitung". Unverständnis über den Vergleich mit europäischen Steueroasen herrscht in Ouagadougou auch angesichts der Tatsache, dass Burkina Faso überhaupt nicht auf der "Grauen Liste" der OECD im Kampf gegen Steueroasen steht.
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) kritisierte Steinbrücks Verweis auf Ouagadougou scharf. "Solche Worte schaden einem Land wie Burkina Faso", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". "Sie können wirtschaftliche Nachteile zur Folge haben." Dies sei umso ärgerlicher, "als über Burkina Faso nichts Nachteiliges bekannt ist, was mit der Steuerpolitik der Schweiz oder Luxemburg vergleichbar wäre".
Entschuldigung gefordert
In Deutschland hagelt es ebenso Kritik für Steinbrück. Politiker aus Union und FDP werfen ihm ein "unerträgliches Verhalten vor" und fordern eine Entschuldigung. Durch die Äußerungen des Finanzministers sei das Ansehen Deutschlands beschädigt. "Es ist völlig unerträglich und total daneben, sich gegenüber einem wichtigen befreundeten Staat so zu äußern", erklärte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Werner Hoyer der "Berliner Zeitung". Eine Tonlage, wie sie Steinbrück anschlage, sei "den politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands völlig abträglich".
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte Steinbrück auf, sich für seine harschen Worte gegenüber europäischen Steuerparadiesen zu entschuldigen. "Es ist dringend notwendig, dass Steinbrück sich schnell entschuldigt", sagte Dobrindt der Zeitung. "Er hat bewiesen, dass er auch als Diplomat eher unterbegabt ist."
"Klare Sprache" muss sein
Rückendeckung bekommt der SPD-Politiker Steinbrück dagegen von seinem Parteivorsitzenden und dem Spitzenkandidaten der Grünen für die Bundestagswahl. "Es gibt weder in der Schweiz noch in Liechtenstein noch in Luxemburg irgendwelchen Anlass, jetzt beleidigt zu tun", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin bei n-tv. Die Staaten hätten über Jahre hinweg deutschen Steuerhinterziehern einen sicheren Fluchtpunkt geboten, diese Praxis müsse beendet werden. "Wir wissen, dass über 120 Milliarden allein aus Deutschland in die Schweiz geflossen sind." Solange es dabei keine Änderungen gebe, müssten die Länder auch auf der Grauen Liste der OECD bleiben.
Trittin warf Steinbrück allerdings vor, bei aller Polterei gegenüber den Steueroasen seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. "Bundeseigene Banken wie die Commerzbank bieten nach wie vor Finanzprodukte in Steueroasen an und das ist das Erste, was Herr Steinbrück beenden sollte", sagte er bei n-tv.
SPD-Chef Franz Müntefering verteidigte seinen Parteifreund Steinbrück und warf den Steueroasen Betrug vor. "Die Wahrheit ist doch: Da sind Leute, die betrügen uns um Steuern, und zwar in einem erheblichen Maße", sagte Müntefering im Deutschlandfunk. Sie bekämen die Möglichkeit, ihr Geld zu verstecken, weil ihnen andere Länder diese Möglichkeit geben würden. Es sei nötig, eine "klare Sprache" zu sprechen, wenn es um so viel Geld gehe. "Wir wollen dass die Steueroasen platt gemacht werden, und dass Ruhe ist", sagte Müntefering vor über 1000 Anhängern in Köln zum Auftakt des Europawahlkampfes der SPD.
Auch der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, nahm den SPD-Minister in Schutz. Steinbrück habe "durch sein Poltern einiges bewegt", sagte Ondracek der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ondracek sprach von einer "notwendigen Provokation".
Quelle: ntv.de, AFP / dpa / rts