Politik

Wirtschaft für Steuersenkungen Steinbrück bremst Glos aus

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat das Konjunkturprogramm von Wirtschaftsminister Michael Glos als nahezu wirkungslos zurückgewiesen. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von rund 2,5 Billionen Euro könne man mit den in Rede stehenden zehn Milliarden Euro die Konjunktur nicht beeinflussen, sagte der Sprecher des SPD-Politikers in Berlin. "Das einzige, was man tut, ist, öffentliche Mittel zu verbrennen oder zu vernichten."

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bekräftigte die Absage von Kanzlerin Angela Merkel, derzeit stehe eine Debatte über ein Konjunkturprogramm nicht an. Auch die Frage, ab wann die Kanzlerin zu einem solchen Programm bereit sei, wies Wilhelm als hypothetisch zurück.

Zustimmung der Wirtschaft, ...

Industrie, Handel und Handwerk haben dagegen den Vorstoß von Glos für Steuersenkungen begrüßt. "Auch wenn wir derzeit kein Anzeichen für eine Rezession sehen, halten wir es für ein wichtiges Signal, die Bürger jetzt zu entlasten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben. Mehr Netto für alle sei das richtige Konzept. Es müsse bei den versteckten Steuererhöhungen durch die "kalte Progression" etwas passieren, weil sie mittlere Einkommen stark belaste. "Die Bundesregierung sollte sich daher auf diesen Punkt konzentrieren und Tarife sowie Freibeträge jetzt schnell an die Kaufkraftentwicklung anpassen", sagte Wansleben.

... Ökonomen lehnen ab

Ökonomen nehmen die Vorschläge von Glos mit Skepsis aufgenommen. "Mir scheint das vor allem dem Wahlkampf geschuldet", sagte Wim Kösters, Vorstandsmitglied des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Die Anpassungen des Steuertarifs sei etwa eine Daueraufgabe der Politik, sagte er. "Das jetzt als Konjunkturprogramm zu bezeichnen, ist Unsinn."

Am Wochenende war bekannt geworden, dass Glos (CSU) ein Konjunkturprogramm im Umfang von mindestens zehn Milliarden Euro erarbeiten lässt, um einer weiteren wirtschaftlichen Abschwächung notfalls Einhalt zu gebieten. Es sieht die Einführung der alten Pendlerpauschale, einen höheren Freibetrag bei der Einkommensteuer sowie eine Reform des Steuertarifs vor. Sein Staatssekretär Walther Otremba hatte erklärt: "Sollte sich das Konjunkturklima weiter abkühlen, müssen wir im Herbst über Maßnahmen reden, die das Wachstum verstetigen können."

Überlegungen noch nicht abgeschlossen

"Es gibt im Moment keinen Grund, jetzt einzugreifen", sagte auch Glos' Sprecher Steffen Moritz. Trotzdem müsse sich das Wirtschaftsministerium Gedanken für den Fall eines wirtschaftlichen Abschwungs machen. Diese Überlegungen seien aber noch nicht abgeschlossen. Deswegen könne man auch noch nicht über einzelne Maßnahmen diskutieren.

Handwerk und Einzelhandel ließen Sympathie für den Vorstoß von Glos erkennen. "Der Binnenmarkt braucht dringend Wachstumsimpulse", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Otto Kentzler. Es müsse sichergestellt werden, dass in einer schwierigen Phase weiter investiert und nicht nur saniert werde.

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) verspricht sich von niedrigeren Steuern einen Stimmungsumschwung. "Der Staat würde damit das Signal geben, dass er Geld zurückgibt, wo immer sich Spielräume auftun", sagte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr. "Das sind keine Geschenke, sondern das ist das Geld der Steuerzahler."

"Konjunkturpolitik ist nicht wirksam"

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Hüther, sieht einen Versuch des Wirtschaftsministeriums, Bewegung in die Steuergesetzgebung zu bringen. "Misslich ist, dass der Handlungsbedarf von der Konjunktur abgeleitet wird", sagte er. "Studien haben ergeben, dass Konjunkturpolitik nicht wirksam ist." Kai Carstensen, Chefvolkswirt des Münchner Ifo-Instituts, verwies auf alte Forderungen von Experten, den Steuerzahlern die versteckten Steuererhöhungen zurückzugeben. In der Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale sieht er dagegen ein Wahlkampfthema. "Grundsätzlich sollte man fragen, ob etwas langfristig sinnvoll ist", sagte er.

Der Experte des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Peter Hohlfeld, forderte ein Investitionsprogramm in die Infrastruktur, um die Wirtschaft anzukurbeln. So würde der Bau gestützt und Arbeitsplätze gesichert. Steuererleichterungen kämen zwar dem Konsumenten direkt zugute, könnten aber als Einmaleffekt verpuffen und keine längerfristigen Auswirkungen auf das Wachstum haben.

Quelle: ntv.de

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