Putin denkt an Atomwaffen-Verzicht Steinmeier wirbt für Abrüstung
10.06.2009, 14:11 UhrAußenminister Steinmeier und der russische Regierungschef Putin sprechen sich für eine umfassende Abrüstung bei den Atomwaffen aus. Putin denkt sogar an den kompletten Verzicht. "Wozu brauchen wir Nuklearwaffen?", fragt er sich.

Ein gut gelaunter Außenminister vor dem Kreml: Er braucht nach der Wahlschlappe jede Aufmerksamkeit.
(Foto: dpa)
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und der russische Regierungschef Wladimir Putin haben sich in Moskau für eine umfassende Abrüstung bei den Atomwaffen ausgesprochen. Der SPD-Kanzlerkandidat forderte nach den jüngsten US-Signalen einen "neuen Aufbruch" in der Sicherheitspolitik. Putin knüpfte die Bereitschaft zu einer atomwaffenfreien Welt an Bedingungen. Wenn neben den USA alle "offiziellen und inoffiziellen Atommächte" auf die Bomben verzichteten, werde Russland diesen Prozess unterstützen, sagte Putin bei dem Treffen mit Steinmeier. US-Präsident Barack Obama hatte Anfang April in Prag die Vision einer atomwaffenfreien Welt verkündet.
Ende April hatte auch Kremlchef Dmitri Medwedew das ferne Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen unterstützt. Auf die Frage, ob sich die Sicherheit Russlands auch ohne eigene Atomwaffen gewährleisten lasse, antwortete Putin: "Natürlich. Wozu brauchen wir Nuklearwaffen?" Nach dem Amtswechsel im Weißen Haus dürfe die Chance auf Fortschritte in der Rüstungskontrolle nicht vergeben werden, mahnte Steinmeier. Weitere Themen waren die Wirtschaftskrise und Energiefragen. Zum Abschluss seines Kurzbesuchs traf Steinmeier noch den russischen Außenminister Sergej Lawrow.
Medwedew lobt deutsche Haltung
Anfang Juli wollen Obama und Medwedew in Moskau über ein Nachfolgeabkommen des Vertrags über die Reduzierung strategischer Waffen (START) sprechen, der zum Jahresende ausläuft. "Ich hoffe, dass man bei den Verhandlungen kurzfristig zum Ergebnis kommt", sagte Steinmeier nach einem einstündigen Gespräch mit Medwedew. Die Probleme mit dem Iran und Nordkorea machten deutlich, dass die internationale Gemeinschaft unter Druck stehe. Das Gipfeltreffen von Obama und Medwedew in Moskau werde ein "Prüfstein" sein, ob 2009 zu einem "Jahr des Aufbruchs" werden könne. Medwedew lobte die "stets konstruktive und offene Haltung Deutschlands" in Sicherheitsfragen.
Die russischen Streitkräfte machten deutlich, dass in einem neuen Abkommen zwischen Moskau und Washington die Zahl der Sprengköpfe auf jeweils 1500 Stück reduziert werden könne. Zugleich bemüht sich die Bundesregierung, neuen Schwung in die Gespräche über den KSE-Vertrag zur Reduzierung konventioneller Streitkräfte in Europa zu bringen. Russland hatte im Streit um die geplante US- Raketenabwehr in Mitteleuropa seine Mitarbeit in dem Vertrag Ende 2007 aufgekündigt.
Streitfrage Georgien
In einer Rede vor der Akademie der Wissenschaften rief Steinmeier die russische Führung auf, Obamas Angebot für eine engere Zusammenarbeit zu nutzen. "Die ausgestreckte Hand des amerikanischen Präsidenten sollte mutig ergriffen werden. Zögern oder taktisches Feilschen kann das Fenster der Gelegenheiten schnell wieder schließen." Zugleich forderte der SPD-Politiker von Russland eine "konstruktive Haltung" im Streit um eine internationale Präsenz in Georgien. Nach dem Kaukasuskrieg im vergangenen August hatte Russland zum Unwillen des Westens die von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängig anerkannt und dort jeweils mehrere tausend Soldaten stationiert.
Mit Blick auf den Gasstreit zwischen Moskau und Kiew zu Jahresbeginn sagte Steinmeier, Russland müsse sich als "verlässlicher Energieversorger" erweisen. Im Gegenzug sagte er zu, dass Russland für Europa wichtigste Bezugsquelle von Gas bleiben werde. Medwedew forderte den Westen erneut auf, gemeinsam eine Lösung für eine stabile Energieversorgung zu finden. Zahlungsschwierigkeiten der Ukraine hatten in den vergangenen Monaten zu erneuten Spannungen zwischen den Nachbarländern geführt.
Treffen mit Gorbatschow
Steinmeier besuchte auch die regierungskritische Zeitung "Nowaja Gaseta". Dort traf er deren Mitherausgeber, den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow. In Russland lägen "Licht und Schatten" weiter nahe beisammen, sagte der Außenminister in Moskau. Zudem kam Steinmeier mit einem Anwalt des früheren russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski zusammen. Dem Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos droht in einem zweiten Verfahren eine weitere Gefängnisstrafe. Russische Menschenrechtler sehen den Fall Chodorkowski als Gradmesser für eine von Medwedew angestrebte liberale Politik.
Quelle: ntv.de, jmü/dpa