Politik

Abdullah zieht zurück Stichwahl nur mit Karsai?

Die zweite Wahlrunde der afghanischen Präsidentenwahl wird aller Voraussicht nach auch nach der Absage von Herausforderer Abdullah Abdullah wie geplant durchgeführt. Abdullah hatte zuvor erklärt, am 7. November nicht gegen Amtsinhaber Hamid Karsai zur Stichwahl anzutreten, da eine "transparente Wahl" nicht möglich sei.

Nach dem Rückzug seines Herausforderers Abdullah Abdullah aus der Stichwahl will sich der afghanische Präsident Hamid Karsai als einziger Kandidat der Abstimmung in sechs Tagen stellen. "Die Umsetzung der Verfassung ist ein Muss", sagte Karsai nach Angaben des Präsidentenpalastes dem Sender Azadi Radio. "Deswegen müssen wir die Wahl wie von der Verfassung vorgeschrieben abhalten." Karsais Wahlkampfmanager Omar sagte der BBC, Abdullahs Entscheidung sei "sehr unglücklich", da die Afghanen das Recht hätten, zwischen zwei Kandidaten zu wählen.

Glaubt nicht an eine "faire und freie" Stichwahl: Abdullah Abdullah.

Glaubt nicht an eine "faire und freie" Stichwahl: Abdullah Abdullah.

(Foto: AP)

Abdullah hatte kurz zuvor unter Verweis auf erneut drohende Manipulationen bei der zweiten Wahlrunde seinen Boykott angekündigt. "Ich werde an der Wahl am 7. November nicht teilnehmen", sagte er. Eine "transparente Wahl" sei nicht möglich.

Die Wahlkommission erklärte einige Stunden nach Abdullahs Rückzug, die Wahlgesetze und die Verfassung schrieben dennoch eine zweite Runde vor. Es würden beide Namen auf den Stimmzetteln stehen, Karsai aber nun als einziger Kandidat antreten. Karsai sagte, er werde alle Entscheidungen der Wahlkommission (IEC) über den weiteren Wahlverlauf akzeptieren. "Nach jetzigem Stand ist unsere Haltung, dass wir die zweite Wahlrunde abhalten werden", sagte IEC-Sprecher Nur. Die sechs Kommissionsmitglieder wollen am Montag zu Beratungen zusammenkommen.

UN besorgt, USA nicht

Abdullah hat seine Unterstützer zum Verzicht auf Proteste gegen seinen Rückzug aufgerufen.

Abdullah hat seine Unterstützer zum Verzicht auf Proteste gegen seinen Rückzug aufgerufen.

(Foto: AP)

Ein Sprecher des UN-Gesandten Kai Eide äußerte Zweifel an einer zweiten Wahlrunde mit nur einem Kandidaten. "Es ist schwer vorstellbar, wie es eine Stichwahl mit nur einem Kandidaten geben soll", sagte er. Die Vereinten Nationen (UN) lobten Abdullah zugleich für sein würdiges und staatsmännisches Verhalten. Karsais ehemaliger Außenminister, ein als weltgewandt geltender Augenarzt, forderte seine Anhänger zur Ruhe und zum Verzicht auf Proteste auf: "Ich bin sicher, dass meine Unterstützer nichts unternehmen werden, um das Land tiefer in die Krise zu führen."

Die US-Regierung, die zurzeit über eine neue Afghanistan-Strategie samt einer Truppenaufstockung berät, spielte die Bedeutung von Abdullahs Schritt herunter. Sie glaube nicht, dass ein Rückzug in irgendeiner Weise die Legitimität der Wahl beeinträchtige, sagte Außenministerin Hillary Clinton in Jerusalem vor Abdullahs Entscheidung.

Furcht vor Manipulationen

Abdullah hatte erfolglos gefordert, dass Karsai den IEC-Chef und drei Minister wegen Wahlbetrugs ablöst. Der Ex-Außenminister befürchtete bei der Stichwahl eine Wiederholung der Manipulationen, zu denen es bei der ersten Runde am 20. August gekommen war und von denen vor allem Karsai profitiert hatte. Dem Herausforderer waren bei der Stichwahl wenig Chancen eingeräumt worden.

Nach dem um gefälschte Stimmen bereinigten Endergebnis der August-Wahl hatte der Ex-Außenminister in der ersten Runde fast 20 Prozentpunkte hinter Karsai gelegen. Der Amtsinhaber hatte die absolute Mehrheit mit 49,67 Prozent der Stimmen knapp verfehlt. Daher war eine Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah notwendig geworden. Die afghanische Verfassung sieht den Rückzug eines Kandidaten bei der Stichwahl nicht vor.

Abdullah sagte, seine Entscheidung, sich aus der Abstimmung zurückzuziehen, sei "abschließend und endgültig". Eine Zusammenarbeit seines Lagers mit Karsai in einer künftigen Regierung schloss er jedoch nicht aus. "Ich schließe keine Türen", sagte Abdullah. "Gleichzeitig halte ich aber an den Prinzipien fest, mit denen ich meinen Wahlkampf begonnen habe, also werde ich meine Agenda für Reformen und für Wechsel in diesem Land unter allen Umständen weiter verfolgen." Ein zentrales Ziel Abdullahs ist der Wechsel von einem Präsidial- hin zu einem parlamentarischen System, was Karsai ablehnt.

Geringe Wahlbeteiligung erwartet

Artikel 61 der Verfassung bestimmt, dass der Präsident im ersten Wahlgang mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt werden muss, was Karsai nicht gelungen war. Damit wurde die Stichwahl zwischen ihm und dem Zweitplatzierten Abdullah notwendig. Nach offiziellen Angaben sind bereits rund 15 Millionen Wahlzettel für die Stichwahl zwischen Karsai und Abdullah gedruckt. Nach Abdullahs Rückzug wird eine extrem geringe Wahlbeteiligung befürchtet.

Zudem könnte eine Stichwahl ohne Gegenkandidaten die Legitimation Karsais weiter untergraben, nachdem die UN nach der ersten Wahlrunde weit verbreitete Manipulationen zugunsten des Präsidenten festgestellt hatten. Ein schwacher Präsident in Afghanistan dürfte zudem die Aussichten auf eine baldige Stabilisierung des Landes deutlich verschlechtern. "Es ist ein schockierender Rückschlag für die Anstrengungen des Westens und ihrer Verbündeten, eine Demokratie in Afghanistan zu errichten", sagte Analystin Norine MacDonald von der Denkschmiede "The International Council on Security and Development". Der Wahlprozess müsse mangels Glaubwürdigkeit gestoppt und die Abstimmung wiederholt werden.

Taliban drohen mit Anschlägen

Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief nach dem Rückzug Abdullahs zur Besonnenheit auf. "Ich bedauere die Entscheidung von Dr. Abdullah, aber ich respektiere sie natürlich", sagte Westerwelle am Rande einer Veranstaltung in Saarbrücken. "Jetzt geht es darum, dass der Wahlvorgang streng nach Recht und Gesetz zu Ende geführt wird." Afghanistan brauche eine Regierung, die rechtsstaatlich und demokratisch legitimiert sei.

Die Taliban haben angekündigt, die Stichwahl am 7. November zu stören. Die Aufständischen hatten bei der ersten Runde am 20. August zahlreiche Anschläge verübt. Am vergangenen Mittwoch waren bei einem Angriff der Taliban auf ein UN-Gästehaus in Kabul auch fünf Mitarbeiter der Vereinten Nationen getötet worden. Die Aufständischen, die ein islamisches Emirat in Afghanistan und einen Abzug der ausländischen Truppen fordern, hatten den Angriff als Beginn ihrer Operation gegen die Stichwahl bezeichnet.

Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP

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