Politik

Nach der Kandidaten-Kür Stoiber bläst zum Halali

CDU-Chefin Angela Merkel hat gerade erst ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur der Union öffentlich erklärt, da holt der designierte Schröder-Herausforderer Edmund Stoiber (CSU) bereits zum Angriff aus: Die rot-grüne Bundesregierung habe vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik versagt. Daher werde er diese Politikfelder zu seinen zentralen Wahlkampfthemen machen, sagte Stoiber.

Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident erklärte weiter, er wolle Deutschland Perspektiven für Wohlstand und soziale Sicherheit in einer globalisierten Welt geben. "Ich stelle mich deshalb der Verantwortung einer Kanzlerkandidatur", so Stoiber. Er versprach, er wolle dabei im Schulterschluss mit Angela Merkel vorgehen.

Im Falle eines Wahlsiegs strebt Stoiber offensichtlich eine Koalition mit der FDP an. Die Liberalen seien der einzige potenzielle Partner der Union, sagte der CSU-Vorsitzende in der ARD. Zudem kündigte Stoiber an, er wolle die Ökosteuer nicht weiter erhöhen, den Atomausstieg rückgängig machen und das Betriebsverfassungsgesetz erneut reformieren. Im Falle einer Niederlage hingegen wolle er bayerischer Ministerpräsident bleiben.

Vorzeitige Entscheidung

Merkel hatte auf einer Pressekonferenz am Rande der CDU-Vorstandsklausur in Magdeburg ihren Verzicht auf die Kandidatur erklärt. Vorausgegangen sei ein Gespräch mit Stoiber am Freitagmorgen im bayerischen Wolfratshausen. Ihr Vorschlag, Stoiber zum Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl am 22. September zu machen, sei vom Vorstand der CDU einstimmig angenommen worden, erklärte Merkel. Die CDU-Chefin zog mit ihrer Entscheidung die Konsequenz aus der wachsenden Unterstützung der CDU-Landesverbände für Stoiber.

Gleichwohl kam die Entscheidung zu einem unerwarteten Zeitpunkt. In den letzten Tagen hatte es immer wieder geheißen, die K-Frage werde erst nach dem Treffen in Magdeburg in einem Vier-Augen-Gespräch zwischen Merkel und Stoiber entschieden. Noch unmittelbar vor Beginn der CDU-Vorstandsklausur hatte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer dementiert, dass schon in Magdeburg mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

Positive Reaktionen in der Union

In CDU und CSU wurde Merkels Verzicht positiv aufgenommen. Unions-Fraktionschef Friedrich Merz sprach von einer "souveränen, großartigen Entscheidung". Merkel sei nach ihrem Rückzug alles andere als eine Verliererin. "Das stärkt sie in der CDU und es wird einen Wahlkampf in großer Geschlossenheit geben", sagte Merz.

Der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag Alois Glück sprach von einer "sehr souveränen Entscheidung, die großen Respekt abnötigt". Da sowohl Merkel als auch Stoiber in der K-Frage sehr verantwortungsbewußt gehandelt hätten, sei die Basis für einen gemeinsamen Wahlerfolg gelegt. "Wenn wir diesen Erfolg erreichen, stehen Frau Merkel viele Türen offen", sagte Glück.

Ihren Respekt bekundeten zudem der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel und Niedersachsens CDU-Chef Christian Wulff. Hessens Ministerpräsident Roland Koch lobte die Art und Weise, wie die Entscheidung zustandekam: "Es ist gut, dass die CDU die Kraft hatte, diese Entscheidung in einer schwierigen Situation einstimmig zu treffen."

Spott und Kritik von Rot-Grün

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, Merkel sei mit ihrer Entscheidung als Parteivorsitzende der CDU endgültig gescheitert. "Edmund Stoiber ist seit heute Vorsitzender der 'CDSU', Angela Merkel wird Abteilungsleiterin der CDU", spottete Müntefering. Mit Stoiber komme es zu einem Rechts-Ruck in der Union. Der CSU-Chef bewege sich "politisch rechts von der Mitte" und sei "ein Spalter, der unserem Land nicht gut tut".

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) nannte Merkels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur eine Entscheidung gegen Ostdeutschland. "Stoiber hat sich in den letzten Jahren systematisch für Kürzungen beim Aufbau Ost eingesetzt", erklärte Ringstorff. Merkel habe als Frau und Ostdeutsche in der Union nie eine wirkliche Chance gegen Stoiber gehabt.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Kerstin Müller sagte, das Votum für Stoiber zeige, dass die Union nicht reif für eine Frau als Kanzlerkandidatin sei. Ihr Amtskollege Rezzo Schlauch erklärte: "Bei dieser Personalwahl haben wir keinen Zweifel, dass das Duo Schröder/Fischer die Wahl für sich entscheiden wird. "

Grünen-Parteichefin Claudia Roth prophezeite nach der Nominierung Stoibers einen Richtungswahlkampf. Da sich mit Stoiber der "konservative, rückwärts gewandte Teil" in der Union durchgesetzt habe, werde sich bei der Bundestagswahl auch entscheiden, ob die von Rot-Grün begonnenen Reformen in Deutschland fortgesetzt werden könnten.

Rückenwind für die FDP?

FDP-Parteichef Guido Westerwelle sieht nach der Unions-Entscheidung für Stoiber gestiegene Chancen für die Liberalen. "Die SPD geht mit Rot-Grün und der PDS nach links. Die Unionsparteien gehen mit dem bekennenden Konservativen Edmund Stoiber nach rechts. Die Mitte wird frei", sagte Westerwelle. Stoibers Kandidatur sei eine Richtungsentscheidung, wobei die Mehrzahl der Deutschen nicht wolle, dass "polarisiert regiert" wird.

FDP-Vize Jürgen Möllemann bezeichnete Stoiber als einen markanten Vertreter des rechten Parteienspektrums. "Die Schill-Partei auf Bundesebene hat sich damit wohl erledigt", erklärte Möllemann, der ebenfalls einen Rechts-Ruck bei der Union prophezeit.

Quelle: ntv.de

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