"Ich muss nicht mehr" Stoiber stellt sich der Fraktion
16.01.2007, 07:51 UhrÜberschattet von der stetig eskalierenden Führungskrise um Ministerpräsident Edmund Stoiber hat die Landtags-CSU am Dienstag ihre Winterklausur in Wildbad Kreuth fortgesetzt. Stoiber will sich am Nachmittag einem mit Spannung erwarteten Krisengespräch mit allen 124 CSU-Landtagsabgeordneten stellen. Ob auf der viertägigen Klausur bereits eine Entscheidung fällt, ist offen.
Am Vorabend hatte der um sein politisches Überleben ringende CSU-Chef nach wochenlangem Machtkampf in der Partei erstmals einen Rückzug angedeutet. Bei der Landtagswahl 2008 wolle er wieder antreten, müsse dies aber nicht, sagte Stoiber vor dem Fraktionsvorstand. Er nannte den als heißen Kandidaten für den CSU-Vorsitz gehandelten Parteivize Horst Seehofer "erste Wahl für höchste Ämter". Die schwere Führungskrise entwickelte sich mit Gerüchten über eine angebliche Liebesaffäre Seehofers zur Schlammschlacht.
Das Krisengespräch des Vorstands der CSU-Landtagsfraktion mit Stoiber hatte siebeneinhalb Stunden gedauert. Landtagspräsident Alois Glück sprach am späten Montagabend von einer "sehr intensiven und guten Diskussion". Die Aussprache mit Stoiber sei "sehr nützlich und sachbezogen" gewesen. Zum Ergebnis des Gesprächs machte Glück keine Angaben.
Vor Journalisten sprachen sich mehrere Abgeordnete offen für den Rückzug Stoibers aus, andere unterstützten ihn ebenso klar. Sämtliche Mitglieder des Fraktionsvorstandes hätten sich in der Aussprache zu Wort gemeldet, sagte ein Abgeordneter; Stoiber sei mit ausführlicher Kritik konfrontiert worden. Stoiber wolle auf die Fraktion zugehen, hieß es von Teilnehmern in Kreuth. Über die Nominierung zum Spitzenkandidaten solle ein Parteitag im Herbst entscheiden, sagte Stoiber nach den Angaben. Der CSU-Chef strebe an, dass die Delegierten geschlossen in den Parteitag "hinein-und auch wieder hinausgehen", hieß es. Wenn nicht mehr er antrete, dann solle der Parteitag geschlossen hinter einem neuen Kandidaten stehen.
Stoibers Stern sinkt immer mehr
Nach einer ARD-Blitzumfrage befürworten nur noch 29 Prozent der Bayern eine erneute Kandidatur Stoibers bei der Landtagswahl 2008. Rund 64 Prozent lehnen dies ab. 85 Prozent beklagen zudem, der Ministerpräsident klebe an der Macht. Von den CSU-Anhängern meinten zuletzt noch 49 Prozent, Stoiber solle 2008 wieder kandidieren. Als Stoibers schwerwiegendste Fehlentscheidung wird sein Umgang mit der parteiinternen Kritikerin Gabriele Pauli angesehen: 68 Prozent der Befragten sagen, das Verhalten des Ministerpräsidenten gegenüber der Fürther CSU-Landrätin sei falsch, nur 17 Prozent halten es für richtig.
Für Stoibers mögliche Nachfolge wird Bayerns Innenminister Günther Beckstein von 47 Prozent favorisiert, vor Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (24 Prozent). In der Sonntagsfrage zum Wahlverhalten in Bayern fiel die CSU seit Anfang Januar auf nunmehr 50 Prozent (minus 4 Punkte).
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis lobte die Bereitschaft Stoibers zum Verzicht. "Das ist eine sehr noble Einstellung", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Aus der CSU-Landesgruppe verlautete dem Blatt zufolge, der Machtwechsel in Bayern müsse "mit Stil und Würde" vollzogen werden. "Es kommt darauf an, dass es mit Edmund Stoiber läuft, nicht gegen ihn."
"Im untersten Keller"
Führende CSU-Politiker verurteilten einen Bericht der "Bild"-Zeitung über eine angebliche außereheliche Affäre Seehofers. Das Blatt berief sich auf Getuschel von "Parteifreunden". Stoiber stellte sich hinter Seehofer, der sein "uneingeschränktes Vertrauen" habe. Er finde es "unanständig", was in Medien gestreut werde. CSU-Vize Barbara Stamm warnte ihre Partei vor einer Schlammschlacht. "Jetzt sind wir wirklich im untersten Keller gelandet", sagte sie dem "Münchner Merkur".
Fast niemand nimmt Stoiber mehr ernst
Nach den Worten von Florian Pronold, stellvertretender Landesvorsitzender der SPD in Bayern, will mindestens die Hälfte seiner Fraktion, dass Stoiber zurücktritt "egal, welche Lippenbekenntnisse heute kommen". "Artikel 44 der bayerischen Verfassung sagt, der Ministerpräsident muss zurücktreten, wenn er nicht das Vertrauen des Landtags mehr hat", sagte Probold bei n-tv. "Und die Situation belastet ja nicht nur Bayern, sondern die belastet ja auch ein Stück weit hier die große Koalition. Die CSU ist derzeit nicht handlungsfähig, und den Stoiber nimmt auch schon fast niemand mehr ernst hier."
Quelle: ntv.de