Nach Verbot der Kurdenpartei DTP Straßenschlacht in Istanbul
13.12.2009, 17:12 UhrNach dem Verbot der Kurdenpartei DTP durch das türkische Verfassungsgericht ist es im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes und in der Metropole Istanbul zu Ausschreitungen gekommen.
In Istanbul lieferten sich kurdische Demonstranten eine heftige Straßenschlacht mit Nationalisten, bevor die Polizei einschritt. Am Montag will die DTP über ihr weiteres Vorgehen entscheiden.

Diyarbakir wurden bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei mehrere Menschen verletzt.
(Foto: REUTERS)
In den Kurdengebieten attackierten Demonstranten Sicherheitskräfte mit Steinen, während die Polizei Tränengas und Wasserwerfer einsetzte. In Hakkari drohten die Demonstranten, einen Polizeichef und einen Offizier zu "lynchen", bevor örtliche Politiker einschritten. In Yuksekova errichteten Demonstranten Straßenbarrikaden, in Van wurde ein Polizeichef von Steinewerfern verletzt. In Diyarbakir, der größten Stadt der Kurdengebiete, wurden mehrere Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt.
Straßenkämpfe in Istanbul
In Istanbul brachen heftige Straßenkämpfe zwischen rund hundert kurdischen Jugendlichen und türkischen Nationalisten aus. Nach Augenzeugenberichten gingen Nationalisten und Anwohner mit Schlagstöcken und Messern auf eine Gruppe junger Kurden los, die im Anschluss an eine friedliche Kurdendemonstration in den Straßen der Stadt randalierten. Vereinzelt waren demnach auch Schüsse zu hören, mindestens ein Mensch erlitt Schussverletzungen.
Verfassungsgericht verbietet DTP
Das türkische Verfassungsgericht hatte das Verbot der DTP am Freitag mit ihrer zu großen Nähe zur kurdischen Rebellenorganisation PKK begründet. Zwei der 21 DTP-Abgeordneten im Parlament in Ankara, darunter Ko-Parteichef Ahmet Türk, sowie 35 weitere DTP-Vertreter wurden darüber hinaus mit Politikverbot belegt. Die DTP sitzt seit 2007 als erste kurdische Fraktion der türkischen Geschichte im Parlament.
DTP entscheidet am Montag
Am Montag will die Kurdenpartei gemeinsam mit örtlichen Aktivisten in Diyarbakir über die Konsequenzen entscheiden. Zur Debatte steht der kollektive Austritt der 19 verbliebenen Abgeordneten aus dem Parlament, ein Boykott der Parlamentsarbeit, die Gründung einer neuen Partei oder eine Neuformierung der Fraktion. In einer Erklärung der DTP hieß es, die Gründung einer neuen Partei stehe "nicht auf der Tagesordnung". Vielmehr ständen die Abgeordneten weiterhin hinter den Plänen, ihre Mandate niederzulegen. Über das "Wann und Wie" werde am Montag entschieden.
Ein formeller Rückzug der kurdischen Abgeordneten müsste vom Parlament gebilligt werden. Ein solcher Schritt hätte Nachwahlen in den betroffenen Stimmbezirken zur Folge, bei denen die gemäßigt islamische Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Einbußen erleiden dürfte - wegen ihrer jüngsten Initiative zur politischen Lösung des Kurdenkonflikts ist sie in den Umfragen stark abgerutscht. Die DTP steht deshalb unter Druck, ihre Abgeordneten im Parlament zu belassen. Laut der Zeitung "Hürriyet" könnte die im vergangenen Jahr gegründete Partei für Frieden und Demokratie (BDP) der DTP und ihren Anhängern als politisches Auffangbecken dienen.
Quelle: ntv.de, AFP