Politik

Medien: IWF-Chef hat Alibi für Tatzeit Strauss-Kahn bleibt in U-Haft

Eine Richterin in New York lehnt eine Freilassung von Strauss-Kahn gegen eine Millionen-Kaution ab. Der IWF-Chef bleibt damit in Untersuchungshaft. Medien berichten, Strauss-Kahn, dem versuchte Vergewaltigung vorgeworfen wird, habe ein Alibi. Er soll zur Tatzeit mit seiner Tochter essen gewesen sein. Derweil flammt im IWF eine Nachfolgedebatte auf. Zu groß ist die Angst vor einer Verschärfung der Euro-Krise.

Strauss-Kahn bei dem Gerichtstermin in New York.

Strauss-Kahn bei dem Gerichtstermin in New York.

(Foto: REUTERS)

Der wegen Vergewaltigungsvorwürfen festgenommene Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, bleibt in Untersuchungshaft. Eine Haftrichterin in New York lehnte es ab, den Franzosen gegen eine Kaution freizulassen. Es bestehe Fluchtgefahr, begründete Richterin Melissa Jackson ihre Entscheidung. Zudem hätten erste medizinische Ergebnisse die Darstellung des Zimmermädchens bestätigt. Strauss-Kahns Anwälte hatten zuvor eine Kaution in Höhe von einer Million Dollar (rund 700.000 Euro) angeboten. Der nächste Gerichtstermin wurde auf den 20. Mai festgesetzt.

Die Anwälte Strauss-Kahns plädierten für ihren sichtlich übermüdeten Mandanten auf nicht schuldig. "Wir werden beweisen, dass er unschuldig ist", sagte einer der Anwälte vor dem Gerichtsgebäude nach der kurzen Anhörung. "Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass er einen fairen Prozess bekommt. Dann werden wir alle Vorwürfe gegen unseren Mandanten entkräften." Die Anwälte hatten auch angeboten, dass Strauss-Kahn eine elektronische Fußfessel tragen werde, sollte er auf Kaution freikommen. Französische Medien berichteten, Strauss-Kahn habe für die Tatzeit ein Alibi.

Strauss-Kahn werden sexuelle Nötigung, versuchte Vergewaltigung und Freiheitsberaubung einer Hotelangestellten zur Last gelegt. Das 32-jährige Opfer identifizierte Strauss-Kahn bei einer Gegenüberstellung auf einer Polizeiwache in Manhattan. Die Hotelangestellte sagte laut Polizei aus, Strauss-Kahn habe sie bedrängt, als er nackt aus der Dusche gekommen sei. Die dem IWF-Chef zur Last gelegten Delikte können in den USA mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden. Auf diplomatische Immunität kann er sich nach Polizeiangaben nicht berufen.

Der IWF-Chef war am Samstag in New York wenige Minuten vor seinem Abflug im Flugzeug festgenommen worden. Zuvor hatte er das Hotel überstürzt verlassen und unter anderem sein Handy zurückgelassen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft gibt allerdings keine Details bekannt. Weder zu den Einzelheiten noch zum zeitlichen Ablauf der Vorgänge wollten sich die Strafverfolger äußern.

Merkel für europäischen IWF-Chef

Brafman hat die Verteidigung des IWF-Chefs übernommen.

Brafman hat die Verteidigung des IWF-Chefs übernommen.

(Foto: dpa)

Unterdessen ist eine Diskussion über Strauss-Kahns Nachfolge an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) entbrannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich wegen der Schuldenkrise für einen Europäer als Chef der mächtigen Finanzinstitution aus, sollte ein Führungswechsel notwendig werden. Gleichzeitig warnte die Bundesregierung aber vor einer Vorverurteilung.

"Wir wissen, dass auf mittlere Zeiträume sicherlich die Schwellenländer auch Anspruch haben sowohl auf den Posten des IWF-Chefs als auch auf den Posten des Weltbank-Chefs", sagte Merkel in Berlin zur Nachfolgedebatte. "Ich glaube allerdings, dass es in der jetzigen Phase (...) gute Gründe gibt, dass Europa auch gute Kandidaten zur Verfügung hat." Als mögliche Kandidatin gilt die französische Finanzministerin Christine Lagarde. Vorerst übernahm der stellvertretende IWF-Chef John Lipsky die Geschäfte.

"Der IWF ist funktionstüchtig"

EZB-Banker Ewald Nowotny verlangte eine baldige Entscheidung in der IWF-Führungsfrage. "Es ist im Interesse aller zu hoffen, dass es rasch eine klare Lösung gibt", sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB). Der IWF müsse handlungsfähig bleiben. "Der IWF ist funktionstüchtig", versuchte dagegen Regierungssprecher Steffen Seibert Zweifel zu zerstreuen. "Da wird keine Lücke entstehen."

IWF-Chef in Handschellen: Dominique Strauss-Kahn (2.v.r) verlässt am späten Sonntagabend in Begleitung von NYPD-Beamten eine New Yorker Polizeiwache.

IWF-Chef in Handschellen: Dominique Strauss-Kahn (2.v.r) verlässt am späten Sonntagabend in Begleitung von NYPD-Beamten eine New Yorker Polizeiwache.

(Foto: AP)

Auch die EU-Kommission versuchte, die Sorge vor einer Zuspitzung der Schuldenkrise durch die Festnahme Strauss-Kahns zu dämpfen. "Ich möchte der Öffentlichkeit, den Märkten und den Medien versichern: Bereits getroffene Entscheidungen werden nicht beeinträchtigt", sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj in Brüssel. Auch nach Ansicht von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble haben die Vorwürfe gegen den IWF-Chef keine Auswirkungen auf die Euro-Krise.

Strauss-Kahn hatte sich persönlich für die Milliarden-Hilfen für Griechenland, Irland und Portugal stark gemacht. Finanzielle Unterstützung ließ der Fonds auch den EU-Neulingen Ungarn, Lettland und Rumänien zukommen. Polen griff der Fonds ebenfalls unter die Arme. Fast 100 Milliarden Euro hat der IWF für die Hilfen bereitgestellt.

Die US-Regierung lehnte eine Bewertung der Vergewaltigungsvorwürfe ab, betonte aber ihr Vertrauen in den Währungsfonds. Die Regierung um Präsident Barack Obama habe Vertrauen in den Internationalen Währungsfonds (IWF) "und in seine Fähigkeit, seine Mission weiterhin effektiv ausführen zu können", sagte der Sprecher des Weißen Haus, Jay Carney.

Essen mit der Tochter zur Tatzeit?

Derweil entbrennt bereits die Nachfolgedebatte an der IWF-Spitze.

Derweil entbrennt bereits die Nachfolgedebatte an der IWF-Spitze.

(Foto: dpa)

Einem Rundfunkbericht zufolge hat Strauss-Kahn ein Alibi für die Tatzeit. Er habe zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Übergriffs mit seiner Tochter in einem Restaurant zu Mittag gegessen, berichtete der französische Rundfunksender RMC. Quellen wurden nicht genannt. Die Anwälte Strauss-Kahns hätten Beweise und Zeugen dafür. Sie hätten die Abläufe rekonstruiert und herausgefunden, dass ihr Mandant das New Yorker Hotel gegen Samstagmittag verlassen habe. Zuvor habe er seine Rechnung bezahlt und den Schlüssel abgegeben, mit seiner Tochter gegessen und sei dann mit dem Taxi zum Flughafen gefahren. Demnach hatte Strauss-Kahn das Hotel zur mutmaßlichen Zeit des Übergriffs auf das Zimmermädchen bereits verlassen.

Die Anwälte wollten außerdem argumentieren, dass das Zimmermädchen möglicherweise ein finanzielles Interesse gehabt habe, den IWF-Chef der versuchten Vergewaltigung zu beschuldigen, berichtete RMC. Die Anwälte bestätigten dies zunächst nicht. Strauss-Kahn unterzog sich inzwischen einer gerichtsmedizinischen Untersuchung, bei der sein Körper auf Kratzer und DNA-Spuren untersucht wurde. "Unser Mandant hat einer gerichtsmedizinischen Untersuchung zugestimmt", sagte der Verteidiger von Strauss-Kahn, William Taylor. "Er ist müde, aber es geht ihm gut."

Promi-Anwalt übernimmt Verteidigung

Der Franzose war vor seiner Untersuchung durch Gerichtsmediziner erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen. Mit versteinertem Gesicht und in Handschellen schenkte er den zahllosen Reportern und Kamerateams keine Beachtung, bevor er von zwei Polizisten begleitet in ein Auto stieg. Strauss-Kahn hat für seine Verteidigung den renommierten New Yorker Strafverteidiger Brafman engagiert, der schon anderen Prominenten wie dem verstorbenen Popsänger Michael Jackson oder dem als "P.Diddy" auftretenden Rapper Sean Combs vor Gericht Beistand geleistet hat.

Weiteres Ungemach droht Strauss-Kahn aus in seinem Heimatland. Die Autorin Tristane Banon denkt nach Angaben ihres Anwalts über eine Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung nach. "Wir erwägen, Anzeige zu erstatten", sagte der Rechtsanwalt David Koubbi. Der Zwischenfall habe sich 2002 auf dem Weg zu einem Interview mit Strauss-Kahn ereignet. Nach französischem Recht verjähren versuchte Vergewaltigungen erst nach zehn Jahren. Unmittelbar nach der Tat hatte Banon auf Anraten ihrer Mutter, einer Kommunalpolitikerin von Strauss-Kahns sozialistischer Partei, von einer Anzeige gegen den Freund der Familie abgesehen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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