Politik

Zu viele "informelle Kreise" Streit um G20-Treffen

In der Europäischen Union ist heftiger Streit um eine gemeinsame Antwort auf die globale Wirtschafts- und Finanzkrise ausgebrochen. Eine Reihe von EU-Außenministern kritisierte in Brüssel scharf ein Vorbereitungstreffen der G20-Gruppe, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag nach Berlin eingeladen hatte.

Nur wenige Tage vor einem Sondergipfel der EU zur schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg stoppten die Minister auch die Pläne der EU-Kommission für ein fünf Milliarden Euro umfassendes Konjunkturprogramm. Sie forderten die Kommission auf, noch vor dem EU-Gipfel vom 19./20. März neue Vorschläge für die Finanzierung des Pakets und für die Verwendung des Geldes zu machen.

"Institutionelles Chaos"

"Ich muss zugeben, dass ich über das institutionelle Chaos in der EU sehr besorgt bin", sagte der finnische Außenminister Alexander Stubb vor Journalisten. "Niemals zuvor in der EU-Geschichte gab es eine Zeit mit so vielen Gruppen. Ich weiß nicht, was bei dem Sonntagstreffen in Berlin erreicht wurde." Sein schwedischer Kollege Carl Bildt zeigte sich verwundert, dass der G20-Kreis auf 22 Staaten erweitert wurde.

Spanien und die Niederlande hatten darauf gepocht, ebenfalls teilnehmen zu dürfen. Bildt sagte: "Ich weiß nicht, wohin das führt. Warten wir es mal ab." Der belgische Außenminister Karel de Gucht hatte als erster kritisiert, es gebe zu viele informelle Kreise, in denen in der EU Politik gemacht werde. Diplomaten sagten, diese Kritik sei von acht Staaten unterstützt worden.

Am Sonntag hatten die Staats- und Regierungschefs einiger EU-Staaten konkrete Schritte für mehr Transparenz und eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte vereinbart. In ungewöhnlich deutlicher Form sprachen sie sich dafür aus, Steueroasen auszutrocknen. Sie drohten erstmals mit Sanktionen gegen einzelne Staaten und Finanzzentren, die eine Kooperation verweigern. Das Treffen in Berlin diente als Vorbereitung für den Weltfinanzgipfel am 2. April in London.

Gegen neue Finanzplanung

Wenig Tage vor dem EU-Konjunkturgipfel am kommenden Sonntag verweigerten die Außenminister unterdessen Plänen von EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso für ein Konjunkturpaket von fünf Milliarden Euro die Zustimmung. "Wir sind überhaupt nicht gegen Konjunkturstimulierung", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. "Allerdings sind wir schon für eine genaue Prüfung dessen, was denn Konjunkturstimulierungen genau sind." Mit Blick auf die von der Kommission vorgeschlagenen Projekte werde man dies "leider für einen großen Teil der dort vorgeschlagenen Maßnahmen nicht sagen können".

Deutschland lehnte ebenso wie Großbritannien, die Niederlande und Österreich die Absicht der Kommission ab, den Betrag von fünf Milliarden Euro durch eine nachträgliche Umschichtung von Geld zu finanzieren, das in der Finanzplanung für 2008 vorgesehen war. Steinmeier sagte, die EU-Regierungen wollten aber den Dialog mit der Kommission fortführen. Er sei aber sicher, dass die Diskussion bis zum EU-Gipfel Mitte März abgeschlossen sei.

"Geografisch und sektoriell unausgewogen"

Andere Staaten, vor allem südliche Länder, kritisierten hingegen die Absicht, vor allem Energieprojekte östlicher Länder zu finanzieren. Die Liste sei "geografisch und sektoriell unausgewogen", sagte Österreichs Außenminister Michael Spindelegger: "Das ist so nicht akzeptierbar." Der tschechische Europaminister und Vizepremier Alexandr Vondra sagte, es sei außerordentlich wichtig, sich auf das Paket zu einigen: "Wir müssen reagieren."

Ebenso wie Deutschland hatten auch andere EU-Staaten argumentiert, es sei "nicht die richtige Herangehensweise", wenn die Kommission behaupte, das Konjunkturpaket könne mit nicht ausgegebenem Geld aus dem Jahr 2008 finanziert werden. Es handele sich vielmehr um "neues Geld" - eine Änderung der Finanzplanung komme jedoch nicht infrage.

3,7 Milliarden Euro für Energieprojekte

Zudem entspreche die Liste der Projekte nicht den Kriterien, die für einen Konjunkturanschub nötig seien. Das Fünf-Milliarden-Projekt ist Teil eines 200 Milliarden Euro schweren EU-Konjunkturprogramms, bei dem die Mitgliedstaaten mit rund 170 Milliarden Euro in nationalen Plänen den Löwenanteil tragen.

Spanien, Portugal, Bulgarien und Griechenland forderten eine stärkere Berücksichtigung ihrer Länder in der Liste der Förderprojekte. Östliche EU-Staaten begrüßten hingegen die Vorschläge. Die EU-Kommission hatte unter anderem vorgeschlagen, rund 3,7 Milliarden Euro für Energieprojekte auszugeben, von der Gaspipeline Nabucco über Energie-Verbindungsstellen im Baltikum und Südeuropa, Windparks in der Nordsee bis hin zu Pilotprojekten für die Lagerung von Kohlendioxid.

Russland und Türkei in Ostpartnerschaft einbeziehen

Die Außenminister beschlossen zudem, Nachbarn wie Russland oder die Türkei in die neue Ostpartnerschaft einzubeziehen. Am 7. Mai soll bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Prag mit Ländern wie Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien und die Ukraine die "Östliche Partnerschaft" aus der Taufe gehoben werden.

Bei bestimmten Projekten sollen Moskau und Ankara mitmachen können, wurde in Brüssel deutlich. Der amtierende Ratsvorsitzende, der tschechische Ressortchef Karel Schwarzenberg, sprach sich gut zwei Monate vor der Gründung der neuen Ostpartnerschaft dafür aus, für einige Vorhaben sogar die USA, China oder Japan mit an Bord zu nehmen. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner setzte sich ebenso wie EU-Chefdiplomat Javier Solana dafür ein, auch Weißrussland einzuladen. Zuvor müsse jedoch die Regierung des autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko dafür die nötigen Voraussetzungen schaffen.

Quelle: ntv.de

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