Richtungssuche bei der SPD Streit um Rente mit 67 entbrannt
03.10.2009, 19:16 UhrDie SPD ringt nach dem Desaster bei den Bundestagswahlen nach einem neuen Kurs. Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit mahnt deutliche Korrekturen an, die NRW-Vorsitzende Kraft hält dagegen.

Die Rente mit 67 ist in der SPD umstritten.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Angesichts des Debakels bei der Bundestagswahl ist in der SPD der schwelende Streit über die Rente mit 67 offen entbrannt. Der designierte SPD-Vizevorsitzende Klaus Wowereit sprach sich klar für die Rückkehr zur Rente mit 65 sowie Korrekturen der Arbeitsmarktreformen aus. Seine künftige Vorstandskollegin Hannelore Kraft warnte dagegen vor Schnellschüssen. Die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung könnte nach Einschätzung des FDP-Rentenexperten Heinrich Kolb einen Kurswechsel in der Rentenpolitik vollziehen.
Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", in der neuen Parteiführung gebe es einen "breiten Konsens", dass die SPD "elementare Kritik der Menschen an den Reformen aufnehmen und neu beantworten" müsse. "Nur so können wir die Grundlage für eine neue Glaubwürdigkeit der Partei schaffen." Wenn es auf dem SPD-Parteitag Mitte November in Dresden Anträge gebe, zur Rente mit 65 zurückzukehren, werde er diese unterstützen.
Kraft gegen Kurswechsel
Die nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Kraft sagte dagegen dem Magazin "Focus", es sei unsinnig, "dass wir uns jetzt im Handstreich von elf Jahren Regierungsverantwortung distanzieren". Die Agenda 2010 und die Rente mit 67 "pauschal über Bord zu werfen", helfe nicht weiter. "Eine solche Distanzierung würde uns kein Mensch ernsthaft abnehmen. So gewinnt man keine Glaubwürdigkeit zurück."
Die SPD solle sich lieber auf praktische Korrekturen konzentrieren, zum Beispiel auf "die flexiblen Übergänge in die Rente und die Anhebung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger", sagte die designierte SPD-Vizevorsitzende.
Wowereit für Hartz-Korrekturen
Wowereit mahnte weitreichende Änderungen an den Hartz-Reformen an: "Wer länger in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, muss auch länger das lohnbezogene Arbeitslosengeld I erhalten", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Außerdem müsse "die Höhe des akzeptablen Schonvermögens neu betrachtet" und der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder "dringend überprüft und nach oben angepasst werden". Die SPD müsse den Bürgern wieder deutlich machen, "dass unser wichtigstes Anliegen soziale Gerechtigkeit ist".
Nach dem Wahldebakel der Sozialdemokraten hatten mehrere Teilnehmer in einer Präsidiumssitzung eine inhaltliche Aufarbeitung auch strittiger Themen in der Partei wie der Rente mit 67 gefordert.
Quelle: ntv.de, dpa