Öffentlicher Dienst Streit um acht Prozent
10.01.2008, 07:15 UhrDer Öffentliche Dienst in Deutschland steht vor einer harten Tarifrunde. Zum Auftakt der Verhandlungen für die 1,3 Millionen Angestellten von Bund und Kommunen in Potsdam beharrten die Gewerkschaften auf deutlichen Einkommenserhöhungen mit einem Plus von acht Prozent, mindestens aber 200 Euro. Die öffentlichen Arbeitgeber wiesen dies als nicht verhandelbar zurück und legten noch kein Angebot vor. "Es ist ein langer Weg, der vor uns liegt", sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Abend nach der ersten, gut fünfstündigen Verhandlungsrunde. Beide Seiten hoben ihren ernsthaften Willen hervor, zu einer Einigung zu kommen.
Die Gewerkschaften ver.di und die Tarifunion des Beamtenbundes dbb hatten zuvor deutlich gemacht, dass sie bereit sind, für ihre Forderungen auch zu streiken. Dies könnte dann die Müllabfuhr und auch den Personennahverkehr lahmlegen. Die Verhandlungen sollen am Freitag fortgesetzt werden. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske unterstrich wie Schäuble, dass die Positionen sich in zentralen Dingen noch ganz wesentlich unterscheiden. Man wolle ausloten, ob man auf dem Verhandlungswege zu einer Lösung komme. Die Gewerkschaften wollten ein deutliches Einkommensplus mit einer deutlichen sozialen Komponente.
Bsirske sagte unmittelbar vor Beginn der Runde, die Stimmung in den Betrieben sei brisant und explosiv. Der Vorsitzende der dbb Tarifunion, Frank Stöhr, unterstrich: "Nach drei Jahren ohne lineare Erhöhung ist unsere Forderung nach acht Prozent ausgesprochen bescheiden." Unterstützung erhielten die Gewerkschaften von SPD-, aber auch CDU-Politikern. Schäuble als Verhandlungsführer der Arbeitgeber wies indes die Forderungen mit Verweis auf die Haushaltslage von Bund und Kommunen zurück. "Wir brauchen eine verhandlungsfähige Forderung, dann können wir auch ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen." Er betonte, dass die Arbeitgeber auch eine Anpassung der Arbeitszeiten erreichen wollten.
Der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, warnte, ein zu hoher Abschluss würde die Privatisierung staatlicher Dienstleistungen beschleunigen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, zeigte Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter an der konjunkturellen Entwicklung teilhaben wollten. Aber auch er wies die Forderungen als überzogen zurück. Würden sie durchgesetzt, führe dies zu weiterer, verschärfter Konsolidierung und möglicherweise auch zum Abbau von Arbeitsplätzen, sagte er im Deutschlandradio Kultur.
Die Gewerkschaften sehen nach mehreren Nullrunden und einer inzwischen deutlich besseren wirtschaftlichen Lage einen Nachholbedarf für den Öffentlichen Dienst. Der Tarifvertrag soll eine Laufzeit von 12 Monaten haben und auch verbindliche Regelungen zur Übernahme der Auszubildenden enthalten sowie deren Vergütung um 120 Euro anheben. Eine Mehrheit von 55 Prozent der Bürger zeigte nach einer ARD-Umfrage Verständnis für die Forderungen der Gewerkschaften.
Ein Tarifvertrag für Bund und Kommunen würde seine Wirkung auch auf den mittelbaren Öffentlichen Dienst entfalten und eine Vorgabe geben für die Anpassung der Beamtenbesoldung. Die Länder, die 2005 aus dem Tarifverbund des Öffentlichen Dienstes ausschieden, verhandeln erst im kommenden Jahr. Nach Berechnung von ver.di würden die Forderungen der Gewerkschaften vier Milliarden Euro kosten. Die Kommunen beziffern die Kosten eines derartigen Abschlusses hingegen auf sieben Milliarden Euro.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sieht ebenfalls einen Nachholbedarf bei der Lohnentwicklung. "Die Arbeitnehmer müssen mehr teilhaben an dem, was wir wirtschaftlich als Erfolgsgeschichte schreiben", sagte er in der ARD. SPD-Fraktionschef Peter Struck wollte zwar die Höhe der Tarifforderungen nicht bewerten, sagte aber in Berlin, er halte es für sinnvoll, Festbeträge für die unteren und mittleren Einkommen zu vereinbaren. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ist für ein spürbares Lohn- Plus. "Die Arbeitnehmer müssen jetzt in den Tarifverhandlungen an den Produktivitätszuwächsen fair beteiligt werden, damit der Aufschwung bei allen ankommt", sagte er der hannoverschen "Neuen Presse".
Quelle: ntv.de