"Unsinnig und antiquiert" Streit ums Betreuungsgeld
22.05.2007, 16:58 UhrDie Betreuung von Kleinkindern bleibt trotz der Vereinbarungen der Spitzen von CDU/CSU und SPD ein Zankapfel in der Koalition. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck lehnte am Dienstag die von der Union verlangten Zahlungen für die häusliche Erziehung der bis zu Dreijährigen als "unsinnig" ab. Damit werde sich erst der nächste Bundestag 2012 oder 2013 beschäftigen. Es gebe kein Junktim zwischen dem von der SPD verlangten Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz und dem Betreuungsgeld, sagte Struck vor seiner Fraktion.
"Politisch fest vereinbart"
Die Union bekräftigte dagegen ihre Ansicht, dass die Koalitionsspitzen am 14. Mai das Betreuungsgeld zusammen mit dem Rechtsanspruch politisch fest vereinbart haben. "Dieser Zusammenhang wird in dem Gesetz Ausdruck finden", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen (CDU). Vor allem die CSU hatte im Koalitionsausschuss auf Zahlungen für die Familien bestanden, die ihre bis zu drei Jahre alten Kinder nicht in die Krippe schicken. Im Gegenzug akzeptierte sie den von der SPD verlangten Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz.
Auf Distanz zum Betreuungsgeld ging der Berliner CDU-Politiker Friedbert Pflüger. "Der Vorschlag der CSU mag gut gemeint sein. Aber er geht in die falsche Richtung", sagte Pflüger, der auch Mitglied des CDU-Präsidiums ist, der "Süddeutschen Zeitung".
Der Deutsche Städtetag bezifferte die Kosten für den geplanten Ausbau der Kinderkrippen auf mindestens zehn Milliarden Euro. Die Betriebskosten beliefen sich auf weitere 4,5 bis 5 Milliarden Euro. Bisher war von Ausgaben bis 2013 von etwa 12 Milliarden die Rede gewesen. Der Bund will davon ein Drittel tragen.
"Antiquiertes Familienbild"
Struck griff vor der Fraktion den Koalitionspartner scharf an. Die Forderung nach einem Betreuungsgeld zeige das "antiquierte und unmoderne" Familienbild der Union. Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sei lediglich "das vermeintlich moderne Aushängeschild". CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer räumte ebenso wie Röttgen ein, dass über die Höhe und die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes noch diskutiert werden müsse. Die Höhe soll in jedem Fall nicht in dem Gesetzentwurf stehen.
Nach Medien-Informationen werden sich von der Leyen und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) an diesem Donnerstag erneut treffen, um über die gesetzliche Umsetzung der Koalitionsbeschlüsse zu beraten. Man werde den Auftrag umsetzen, den Ausbau der Kitas, das Betreuungsgeld, den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz und die Stiftung des Bundes zur Mitfinanzierung der Kosten in den Kommunen in geeignete gesetzliche Form zu bringen, hieß es im Familienministerium auf Anfrage.
700.000 neue Krippenplätze nötig
Um dem von 2013 an geplanten Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gerecht zu werden, müssten mindestens 700.000 neue Plätze geschaffen werden, sagte Städtetagspräsident Christian Ude (SPD). Die vom Bund zugesagten vier Milliarden Euro reichten bei weitem nicht aus, sagte der Münchner Oberbürgermeister bei der Hauptversammlung seines Verbandes.
Von der Leyen forderte bei einem CDU-Familienkongress in Wiesbaden die Unternehmen auf, mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. Wenn die Wirtschaft die "pfiffigen jungen Leute" mit Familie halten wolle, müsse sie "kluge Wiedereinstiegsprogramme" schaffen.
"Ideologischer Schnellschuss"
Das in der Koalition diskutierte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, ist nach Ansicht der Kölner Wissenschaftlerin Lieselotte Ahnert "nicht gut durchdacht" und möglicherweise sogar kontraproduktiv. "Das ist ein ideologischer Schnellschuss", sagte die Kölner Entwicklungsforscherin der dpa. Niemand könne kontrollieren, ob das Betreuungsgeld in den Familien auch dafür verwendet werde, ein Kind besser zu betreuen.
Quelle: ntv.de