Krebsrisiko Asse Studie schreckt Behörden auf
26.11.2010, 13:52 UhrIm Umfeld des maroden Atommülllagers Asse bei Wolfenbüttel ist die Zahl der Blutkrebs-Erkrankungen massiv gestiegen. Zwischen 2002 und 2009 wurden 18 Fälle von Leukämie festgestellt, normal wären acht. Das Land Niedersachsen will der Ursache schnell auf den Grund gehen. Die Ärzteorganisation IPPNW sieht ihre Warnungen bestätigt.
Das Land Niedersachsen will der deutlich erhöhten Krebsrate rund um das marode Atommülllager Asse möglichst schnell auf den Grund gehen. "Die Landesregierung wird alles dazu beitragen, dass die Ursachen und Zusammenhänge unter größtmöglicher Transparenz untersucht werden", sagte ein Regierungssprecher in Hannover. Zudem werde Ministerpräsident David McAllister (CDU) nun erst recht beim Bund auf eine zügige Sanierung des einsturzgefährdeten ehemaligen Salzbergwerks im Landkreis Wolfenbüttel dringen.
Nach einer Erhebung des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) erkrankten in der Samtgemeinde Asse zwischen 2002 und 2009 mehr als doppelt so viele Menschen an Leukämie und dreimal so viele Frauen an Schilddrüsenkrebs wie statistisch zu erwarten gewesen wäre. Bei Männern trat der Blutkrebs in zwölf Fällen auf, die Annahme lag bei 5,2. Bei Frauen waren es sechs Fälle gegenüber einer prognostizierten Rate von 3,3. Zehn Frauen erkrankten an Schilddrüsenkrebs, die Erwartung lag dagegen bei nur 3,3 Fällen.

Ein Mitarbeiter des Strahlenschutzes überprüft den Boden im Überwachungsbereich der Kammer 12.
(Foto: dapd)
"Eine Ursache dafür kann bisher nicht festgestellt werden", erklärte die Strahlenmedizinerin Elke Bruns-Philipps vom Landesgesundheitsamt. Die vorliegenden Daten würden weiter ausgewertet. So sei noch nicht klar, welchen Einfluss etwa Lebensalter und Berufstätigkeit auf die Erkrankungen gehabt hätten. Dazu müssten die anonymisierten Daten mit Hilfe der Ärzte der jeweiligen Patienten rückverschlüsselt werden.
Atomkritische Ärzte sehen sich bestätigt
Die Ärzteorganisation IPPNW sieht ihre Warnungen vor den Gefahren atomarer Anlagen bestätigt. Die Ergebnisse der jetzt bekanntgewordenen niedersächsischen Krebsregisterstudie seien "ein weiterer Beleg für den ursächlichen Zusammenhang von ionisierender Strahlung und einem erhöhten Krebs- und Leukämierisiko", teilte die atomkritische Mediziner-Organisation in Berlin mit.
IPPNW erinnerte an die Ergebnisse einer 2007 vorgestellten Studie, die für Kleinkinder im Umkreis von deutschen Atomkraftwerken ein erhöhtes Krebs- und Leukämierisiko zeigte. Die Bundesregierung müsse endlich die Berechnungsbasis für die Strahlenschutzverordnung anpassen. Jedes Atomkraftwerk gebe ständig Strahlung in Form von radioaktiven Stoffen (Isotopen) ab, erklärte IPPNW.
Dennoch sieht das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) keine aktuellen Gefahren durch die Asse. Das zeigten Überwachungsmessungen über und unter Tage, erklärte ein Sprecher des BfS. Umfangreiche Boden- und Ackerfrüchteproben aus der Umgebung hätten zudem ergeben, dass keine Kontaminationen durch radioaktive Stoffe aus der Asse zu befürchten seien.
Möglicherweise besteht ein Zusammenhang
Bruns-Philipps schloss allerdings nicht aus, dass die hohe Rate von betroffenen Männern möglicherweise mit einer beruflichen Tätigkeit in der Schachtanlage Asse zu tun haben könnte. "Eine radioaktive Belastung gehört zu den Risikofaktoren für Leukämie und Schilddrüsenkrebs." Das Umweltministerium in Hannover erklärte, dass umfangreiche Überwachungen mit rund 650 Proben pro Jahr in der Umgebung der Asse bisher "keinen messbaren Eintrag von radioaktiven Stoffen" ergeben hätten.
Der Landkreis Wolfenbüttel setzte eine Arbeitsgruppe ein, der Vertreter des Sozialministeriums, des Umweltministeriums, des EKN, des Landesgesundheitsamtes und des BfS angehören. Es werde mehrere Monate dauern, bis verwertbare Ergebnisse vorlägen, sagte Bruns-Philipps. Da in der Umgebung der Asse keine erhöhte Strahlenbelastung zu verzeichnen sei, bestehe aber kein akuter Handlungsbedarf.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP