Politik

Vom Republikaner-Star zur Lachnummer Stürzt Christie über "Bridgegate"?

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In New Jersey ereignet sich eine spielfilmreife Lokalposse. Gouverneur Chris Christie soll absichtlich ein Verkehrschaos ausgelöst haben. Den ehrgeizigen Republikaner bringt das in Not. Er will 2016 eigentlich Präsident werden.

Nichts geht über gute Kontakte. Und die hat Gouverneur Chris Christie, zumindest in New Jersey. "Zeit für ein paar Verkehrsprobleme in Fort Lee", schreibt dessen stellvertretende Büroleiterin Bridget Ann Kelly im August 2013 in einer E-Mail an einen gewissen David Wildstein. Dieser ist ein Schulfreund Christies und Direktor der Hafen-Behörde von New Jersey und New York. Wildstein, der vom Gouverneur persönlich ernannt wurde, antwortet unmissverständlich: "Verstanden."

Die George-Washington-Bridge führt von New Jersey nach Manhattan.

Die George-Washington-Bridge führt von New Jersey nach Manhattan.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Auf den Schulfreund ist Verlass. Im September leitet er das in die Wege, was US-Medien Monate später zum "Bridgegate"-Skandal küren. Noch ahnt niemand, dass Wildsteins Loyalität Christie noch gefährlich werden wird. Sie könnte den Gouverneur von New Jersey am Ende sogar um sein großes Ziel bringen: die Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2016.

Was ist passiert? Einen Monat nach der Anfrage aus Christies Büro lässt die Hafen-Behörde orangefarbene Hütchen zu der ihr unterstellten George-Washington-Bridge bringen. Die Brücke, die New Jersey und Manhattan über den Hudson River verbindet, ist die meistbefahrene der USA. 100 Millionen Fahrzeuge passieren sie im Jahr. Aber zwischen dem 9. und 13. September steht der Verkehr hier still, weil zwei der drei Zufahrtsstraßen gesperrt sind. Pendler kommen nicht zur Arbeit, Krankenwagen nicht zum ihrem Einsatzort, Kinder sitzen zu Schulbeginn in ihren Bussen fest. Der Auslöser ist weder ein Unfall noch eine Baustelle. Die Hafen-Behörde und Christie sprechen auch Monate später noch von einer Verkehrsstudie.

Verräterische E-Mails

Doch die gibt es gar nicht. Anfang Januar fliegt der große Schwindel auf, als US-Medien die bizarren Mail-Wechsel aus dem Umfeld von Wildstein und Christie veröffentlichen. Die Verkehrsprobleme wurden künstlich verursacht und das wohl kalkuliert. Es handelte sich um einen politischen Racheakt gegen Mark Sokolich, den Bürgermeister von Fort Lee, einem an die Brücke angrenzenden Stadtteil New Jerseys. Im Gegensatz zu vielen anderen Demokraten hatte dieser sich im vergangenen Jahr geweigert, die Wiederwahl Christies zu unterstützen. Als Sokolich sich bei den Behörden über die Sperrung beklagte, fragte Wildstein in einer Mail an Kelly süffisant: "Ist es falsch, dass ich lächle?"

Als der Skandal bekannt wird, steht Wildstein schon nicht mehr in der Schusslinie. Nachdem im Dezember eine Untersuchung der sonderbaren Verkehrsstudie eingeleitet wird, räumt der Direktor der Hafen-Behörde seinen Posten. Christie spottet zu dieser Zeit noch abfällig. Er selbst habe die orangefarbenen Verkehrshütchen damals mit Arbeiteranzug und Helm unbemerkt auf dem Asphalt verteilt. Inzwischen ist der Politiker kleinlauter. In dieser Woche beteuert Christie zunächst, von dem Vorfall nichts gewusst zu haben. Er sei bei der Planung "nicht informiert und involviert" gewesen. Dass er die Sperrung selbst angeordnet hat, geht aus den Mails nicht hervor. Dass er nichts wusste, ist allerdings kaum vorstellbar.

"Hinterlistig und dumm"

Dem 51-Jährigen blieb daher nur die Flucht nach vorn. "Ich stehe hier, um mich bei den Einwohnern von Fort Lee zu entschuldigen", erklärte Christie auf einer Pressekonferenz. "Ich habe die Verantwortung für alles, was in New Jersey passiert." Persönliche Konsequenzen mag der frühere Staatsanwalt trotzdem nicht ziehen. Stattdessen entließ er seine Mitarbeiterin Kelly, die er als "hinterlistig" und "dumm" bezeichnete. Und er selbst? Er sei beschämt vom Verhalten einiger Leute in seinem Team, sagte Christie. Er schlafe schlecht, sein Herz sei zerbrochen. "Ich bin doch kein Rowdy", so lautete seine demütige Verteidigung.

Christie und Obama im Oktober 2012 bei Opfern von Hurrikan Sandy.

Christie und Obama im Oktober 2012 bei Opfern von Hurrikan Sandy.

(Foto: REUTERS)

Den in New Jersey geborenen Christie erwischt "Bridgegate" zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In seiner Karriereplanung sollte das Jahr 2014 eigentlich eine wichtige Rolle spielen, um sich in Stellung zu bringen für den Kampf um das Weiße Haus. Der Republikaner ist nämlich aussichtsreicher Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl. Christie, ein moderater Konservativer, ist vor allem für seine direkte Art beliebt und gilt als Politiker, der auch unangenehme Dinge beim Namen nennt.

Ungünstige Angriffsfläche

Landesweite Bekanntheit errang er spätestens durch den Hurrikan Sandy im Oktober 2012. Nach dem Unwetter besuchte er gemeinsam mit Barack Obama die Katastrophengebiete. Dass er so kurz vor der Wahl auch das Krisenmanagement des demokratischen Präsidenten lobte, brachte ihm parteiintern viel Kritik ein. Vielen Amerikanern gefiel es jedoch, dass er die Parteidisziplin der Notsituation unterordnete. Davon zehrt Christie noch heute. Umfragen räumen ihm zuletzt sogar bessere Chancen ein als der früheren Außenministerin Hillary Clinton. Sowohl in allen Wählergruppen über 30 als auch bei Unentschlossenen genießt er weitaus größeren Zuspruch.

Ob das so bleibt? Der Stauskandal bringt Christie in Bedrängnis, denn er beschädigt seine Glaubwürdigkeit. Die Bundesstaatsanwalt von New Jersey hat inzwischen sogar ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Dadurch bleibt das Thema auf absehbare Zeit in der Öffentlichkeit. Für Christie ist das fatal. Selbst wenn bei dem Verfahren nicht einwandfrei belegt werden sollte, dass er selbst die Sperrung anordnete - den Makel wird er wohl so schnell nicht mehr los.

Christies Chancen auf eine Kandidatur schwächt das erheblich: In der Vergangenheit stolperten schon Politiker über kleinere Missgeschicke. Im Wettbewerb um die Tauglichkeit für das Weiße Haus sind Fehler unverzeihlich. Im Wahlkampf bietet ein Kandidat so unnötige Angriffsflächen, die seine Gegner genüsslich traktieren können. Eine der wichtigsten Fragen ist nun, ob die Republikaner ihrem Hoffnungsträger den Rücken stärken oder ihn fallen lassen. Ohne ein funktionierendes Netzwerk hätte Christie im Wahlkampf keine Chance. Für einen Präsidentschaftskandidaten sind die guten Kontakte, das Spiel über Bande mit einflussreichen Unterstützern noch viel wichtiger als für einen Gouverneur.

Quelle: ntv.de

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