Experte: Das Schlimmste kommt noch Südsudan versucht den Neuanfang
05.07.2011, 12:58 Uhr
Der Südsudan erlangt endlich seine Unabhängigkeit, die Kämpfe gehen trotzdem weiter.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nach jahrelangen Kriegen und gewaltsamen Konflikten wird der Südsudan am 9. Juli ein souveräner Staat. Die Menschen hoffen auf Frieden und Stabilität. Doch der sudanesische Präsident ruft seine Truppen zu Kämpfen in der umstrittenen Grenzregion Süd-Kordofan auf. Experten befürchten, dass dort das Schlimmste noch bevor steht.
Nyanath Kier wiegt ihr Neugeborenes in den Armen. Der Säugling ist nur wenige Tage vor der Geburt einer neuen afrikanischen Nation zur Welt gekommen - dem Südsudan, der am 9. Juli zum 54. souveränen Staat Afrikas erklärt wird. Das Kind wird in einem Teil des Sudan aufwachsen, der von jahrzehntelangem Krieg verwüstet ist und vor einer ungewissen Zukunft steht. Das zwar ölreiche aber verarmte Land wird sich in eine wenig beneidenswerte Liste von Staaten wie Afghanistan und Somalia einreihen, die im Sozial- und Gesundheitswesen weltweit am unteren Ende rangieren.
"Der Südsudan hat die höchste Müttersterblichkeitsrate der Welt", sagt der Arzt Alexander Dimiti vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen. Doch das Gesundheitswesen ist nur einer von vielen Bereichen, bei denen der Südsudan vor enormen Herausforderungen steht: Politiker und Sicherheitskräfte müssen Verantwortung übernehmen, Schulwesen und Infrastruktur müssen aufgebaut werden. "Wir haben enorme Erwartungen aber auch riesige Herausforderungen zu bewältigen", sagt der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms im Südsudan, Joe Feeney.
Das Unwahrscheinliche wird möglich
Am 9. Juli werden Millionen Südsudanesen gemeinsam mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs und Vertretern aus dem Ausland die Gründung des jüngsten Staates der Welt begleiten - eine Staatsgründung, die vielen noch vor einigen Monaten unwahrscheinlich erschien. "Es ist etwas, worauf die Menschen seit Jahren gewartet haben", sagt Regierungssprecher Mangar Gordon Marial. Auf dem Programm am Mausoleum des verstorbenen Rebellenführers John Garang in Juba stehen Militärparaden, traditioneller Tanz, das Hissen der südsudanesischen Flagge und das Unterzeichnen der vorläufigen Verfassung.
Zwischen 1955 und 2005 führten die Rebellen aus dem Süden zwei Kriege um ihre Unabhängigkeit gegen den Norden. Der Konflikt verwüstete das Land, kostete Millionen Menschen das Leben und führte zu einem tiefen beiderseitigen Misstrauen. Der 2005 zwischen Garang und Sudans Vizepräsident Ali Osman Taha unterzeichnete Friedensvertrag schlug ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes auf und ebnete den Weg für das im Januar dieses Jahres abgehaltene Referendum zur Unabhängigkeit des Südens. Fast einstimmig votierten die Südsudanesen für ihren eigenen Staat.
Sudanesischer Präsident ruft zu Kämpfen auf

Omar al-Baschir will die Grenzregion Süd-Kordofan "von Rebellen säubern".
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"Das wird ein historischer Anlass für unser ganzes Volk, das diesen langen und schwierigen Weg in Richtung der Geburt dieser Nation gegangen ist", erklärt Südsudans Informationsminister Barnaba Marial Benjamin. "Wir alle wissen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen", sagt er. Doch gemeinsam werde es gelingen, einen stabilen und prosperierenden Staat aufzubauen, ist er überzeugt.
Sudans Präsident Omar al-Baschir hatte erklärt, den Ausgang des Referendums zur Unabhängigkeit des Südens akzeptieren zu wollen. In der südsudanesischen Hauptstadt Juba will er am 9. Juli an den Feierlichkeiten der Staatsgründung teilnehmen, wo er nach Angaben südsudanesischer Beamter als Ehrengast geladen ist. Doch erst vergangene Woche rief Baschir seine Truppen zu weiteren Kämpfen in der umstrittenen Grenzregion Süd-Kordofan auf, bis das Gebiet "von Rebellen gesäubert" sei und machte damit Hoffnungen auf Frieden zunichte.
Süd-Kordofan vor Katastrophe?
Die größten Herausforderungen stellen derzeit die Kämpfe entlang der Grenze zwischen Nord und Süd dar, durch die nach UN-Schätzungen mehr als 1800 Menschen getötet und etwa 150.000 vertrieben wurden. Streitpunkt ist vor allem der Status der umkämpften Region Abyei, die die Nordstaatler im Mai besetzten. Obwohl einen Monat später ein Abkommen zur Entmilitarisierung und zur Stationierung tausender Blauhelmsoldaten geschlossen wurde, bleibt die Zukunft weiter ungewiss.
Zwei Wochen nach der Besetzung Abyeis wurde Süd-Kordofan zum Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Nord und Süd, wodurch erneut hunderte Menschen ihr Leben verloren. Experten zufolge kamen 2011 bereits so viele Menschen im Sudan ums Leben wie seit Ende des Krieges vor sechs Jahren nicht mehr. Viele glauben, dass das Schlimmste sogar noch bevorsteht.
Quelle: ntv.de, Peter Martell, AFP